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Im Dickicht der Klimaschutzregeln. Die deutsche Industrie unterstützt weltweit Projekte, die den Ausstoß von CO2 vermeiden sollen.

© dpa

Klimaschutz: UN stoppen deutsche Klimaprüfer

Die Vereinten Nationen schließen den Tüv Süd von der Bewertung von Klimaschutzprojekten aus. Erste Vorhaben der Konzerne geraten ins Stocken.

Die Vereinten Nationen verschärfen ihre Kontrolle über den Milliardenmarkt mit Klimaschutzzertifikaten, in dem auch die deutsche Industrie stark involviert ist. In dem Zusammenhang hat das UN-Klimasekretariat jetzt den Tüv Süd, einen der wichtigsten Gutachter von Klimaschutzprojekten im Rahmen des Kyoto-Protokolls, von dem System ausgeschlossen. Der Zertifizierer hat sechs Monate Zeit, die vom Aufsichtsrat des Clean Development Mechanism (CDM, siehe Kasten) kritisierten Mängel zu beheben. Anderenfalls verliert er seine Zulassung endgültig. Der Schritt der UN stellt die Qualität deutscher Klimaschutzprojekte in aller Welt infrage.

Jährlich werden in diesem strikt regulierten Markt rund 33 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Sven Kolmetz, Leiter der Abteilung Carbon Management Service des Tüv Süd, die es seit dem Jahr 2000 gibt, sagte: „Wir nehmen diese Kritik sehr ernst, sind allerdings über das harte Vorgehen enttäuscht.“ Der Tüv Süd ist seit 2008 der dritte große Zertifizierer, der vom UN-Klimasekretariat suspendiert worden ist. In einer Erklärung des Tüv Süd heißt es, es habe eine „auffällige Häufung von Suspendierungen“ im CDM gegeben. Man sehe in dieser Häufung einen Hinweis darauf, dass die Vorgaben für die Zertifizierer nicht klar genug gefasst sind. Kritiker gehen eher davon aus, dass der Tüv Süd die klaren Regeln nicht konsequent genug umgesetzt hat.

Lennart Mohr, CDM-Experte vom Öko-Institut, der 2009 im Auftrag des WWF eine Studie über die Qualität der Zertifizierer vorgelegt hat, sieht „insgesamt ein Qualitätsproblem“. Der CDM- Aufsichtsrat habe für seine Sitzungen seit gut zwei Jahren immer mehr Projekte auf der Tagesordnung stehen, bei denen es Zweifel gibt, ob die CDM-Regularien eingehalten worden sind. Die UN werfen dem Tüv Süd vor, auch CDM-Projekten ein positives Validierungsgutachten ausgestellt zu haben, an deren Zulässigkeit es offenkundige Zweifel gab. Zudem soll er wenig qualifizierte Mitarbeiter einsetzen.

Das Kriterium der Zusätzlichkeit ist der große Streitpunkt im CDM: Für die Projekte muss nachwiesen werden, dass die Emissionsreduktion ohne den CDM-Anreiz nicht stattgefunden hätte. Eva Filzmoser von CDM- Watch sagt, das Kriterium sei nicht klar genug. Der WWF weist darauf hin, dass der Gegenwert für jede in einem CDM-Projekt gesparte Tonne Kohlendioxid (CO2) eine Tonne mehr in Europa ausgestoßen werde und bemängelte in einer Studie vor zwei Jahren, dass etwa 20 Prozent der CDM-Projekte auch ohne zusätzliche Investition entstanden wären.

Deutsche Konzerne, vor allem große Stromproduzenten und -konsumenten, sind in den vergangenen Jahren groß in das Geschäft eingestiegen, um sich von Klimasünden freizukaufen. Der zweitgrößte deutsche Stromkonzern RWE besaß Ende 2009 Zertifikate, die ihm bestätigen, den Ausstoß von 70 Millionen Tonnen CO2 vermieden zu haben. RWE-Chef Jürgen Großmann sagte am Rande des Weltklimagipfels in Kopenhagen im Dezember: „Der CDM ist unser CCS.“ Damit meint er, solange die Technologie, CO2 bei Kohlekraftwerken abzuscheiden und das Gas dann unterirdisch zu lagern (CCS) noch nicht zur Verfügung steht, will RWE den CDM als Klimainstrument nutzen. Nach RWE-Angaben hat das Unternehmen im Jahr 2008 mehr als eine Milliarde Euro in CDM-Projekte investiert und finanziert derzeit rund 120 Maßnahmen: So gewinnt RWE in Vietnam Strom aus Biomasse, filtert klimaschädliches Lachgas aus einer ägyptischen Düngemittelfabrik und verteilt Energiesparlampen in Indien. Rund 60 Prozent der Projekte führt das Unternehmen in China oder Indien durch.

RWE ließ und lässt einen Teil dieser Projekte vom Tüv Süd begutachten und ist dementsprechend nicht besonders glücklich darüber, dass die Zertifizierer jetzt ausgeschlossen worden sind: „Die Suspendierung von Tüv Süd wird bei einigen unserer Projekte zu Verzögerungen führen, die auch den Fluss der Zertifikate betreffen können“, sagte RWE-Sprecherin Julia Scharlemann dem Tagesspiegel. Konkret betroffen sind ein Energieeffizienzprojekt in Vietnam und Indien sowie ein Projekt zur Vermeidung von Distickstoffmonoxid (Lachgas) in Chile.

„Wir akzeptieren selbstverständlich die Entscheidungen des Klimasekretariats und halten uns an deren Prozesse. Eine Überprüfung der Validierer und Verifizierer ist Bestandteil der UN-Prozesse und dient der Qualitätssicherung und damit der Integrität des Systems“, sagte sie weiter. Man werte es zugleich als „gutes Zeichen“, dass die UN-Behörde immer wieder derartige Untersuchungen vornimmt.

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