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RWE-Innogy-Chef Fritz Vahrenholt muss wegen des Erreichens der Altersgrenze in den Aufsichtsrat des Unternehmens wechseln. Am Montag stellte er in Berlin sein neues Buch "Die kalte Sonne" vor.

© dpa

Klimaskeptiker: Fritz Vahrenholts Feldzüge

Der Chef des RWE-Tochterunternehmens Innogy hält Kohlendioxid zwar für ein Klimagas. Aber er ist überzeugt: Wir haben genug Zeit für einen vernünftigen Umbau des Energiesystems. Es ist nicht seine erste Mission.

Auf 445 Seiten widerlegen Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning in ihrem Buch "Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet" den Weltklimarat (IPCC). Das zumindest ist der Anspruch des bei Hoffmann und Campe erschienenen Buches, das die beiden Autoren moderiert vom früheren Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust am Montag in Berlin vorstellten. Stefan Aust, der nicht vergessen hat, dass ein Spiegel-Titel gegen die Windkraft vor ein paar Jahren ihm einige Kritik eingebracht hatte, sagte gleich zu Anfang, um was es geht: "Die Klimakatastrophe ist ein Glaubensbekenntnis aller Ökologen." Und dieser "feste Glaube" soll nun von zwei Wissenschaftlern erschüttert werden, die, wie Vahrenholt zugab, "keinen großen Klimarechner im Keller stehen haben". Der gelernte Chemiker Vahrenholt, derzeit Chef der RWE-Tochterfirma Innogy, und Sebastian Lüning, gelernter Geologe, der für die Erdöltochter von RWE, Dea, in Nordafrika nach Ölquellen sucht, haben sich gemeinsam an der Beweisführung versucht, dass die Sonne einen viel größeren Einfluss auf das Klimageschehen habe, als bisher angenommen.

Vahrenholt und Lüning argumentieren, dass die langfristigen Zyklen der Sonnenaktivität in der Vergangenheit alle größeren Klimaverschiebungen verursacht hätten. Darüber gibt es auch unter den Klimaforschern des "Mainstreams", wie Vahrenholt verächtlich sagt, wenig Kontroversen. Diskutiert wird allenfalls, ob große Vulkanausbrüche im einen oder anderen Fall eine größere Wirkung hatten oder nicht. Umstritten ist allerdings Vahrenholts These, dass die globale Erwärmung seit 1998 zu einem "Stillstand gekommen" sei und die weiter abnehmende Sonnenaktivität dazu führe, dass "wir noch 20 oder 30 Jahre Zeit haben für den Umbau des Energiesystems". Denn tatsächlich waren 2005 und 2010 im Schnitt noch wärmer als 1998. Ob das für 2005 wirklich zutrifft, darüber wird gestritten, weil es auch Temperaturmessreihen gibt, die den stärkeren Temperaturanstieg in der Arktis nicht einberechnet haben. Vahrenholt dagegen behauptet, die mittelalterliche Warmzeit, in der Erik der Rote mit seinen Wikingern Grönland besiedelt habe, sowie die kleine Eiszeit, die etwa 1300 begann, seien in den IPCC-Berichten "wegmanipuliert" worden. Lüning wiederum hält den Einfluss kosmischer Strahlung auf das Klimageschehen noch für völlig unterschätzt. Vahrenholt und Lüning leugnen also nicht den Klimawandel und zweifeln auch nicht daran, dass Kohlendioxid (CO2) ein Treibhausgas mit Einfluss auf das Klima ist. Doch sie halten den Einfluss von CO2 auf das Klima für "weit überschätzt".

Vahrenholt fordert eine "vernünftige Energiewende"

Vahrenholt, der in den 90er Jahren lange Umweltsenator in Hamburg war, verbindet mit seinen Erkenntnissen weitreichende politische Forderungen. Zum einen müsse "dringend" ein Lehrstuhl geschaffen werden, der die natürlichen Klimaeffekte von der Sonneneinstrahlung bis zu ozeanischen Strömungen genauer erforscht. Denn Vahrenholt und Lüning beklagen, dass es für "abweichende Meinungen" in der Klimaforschung weder Lehrstühle noch Forschungsmittel gäbe. Lüning nennt dafür als Kronzeugen zwei Gastautoren, die an seinem Buch mitgeschrieben haben. Weil die Sonne derzeit zu einer Abkühlung beitrage, argumentiert Vahrenholt weiter, könne das Energiesystem mit "mehr Vernunft und ökonomischer Weitsicht" umgebaut werden. "Wir hätten die Zeit, die die Natur uns gibt", meint der Energie-Manager. Selbstverständlich kritisiert auch Vahrenholt die Solarförderung. Erstens hat er sein Geld in den vergangenen zehn Jahren mit Windenergie verdient und zweitens ist RWE am Wüstenstromprojekt Desertec beteiligt. Und wenn zu viel Solarstrom in Deutschland produziert wird, gibt es womöglich bald keinen rechten Bedarf mehr für Solarstrom aus der Wüste. Aus Sicht des RWE-Vorstands "ist die Energiepolitik völlig aus den Fugen geraten". Vahrenholt wünscht sich jedenfalls, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, um wettbewerbsfähiger zu werden und weniger fossile Energien importieren zu müssen. "Wenn die Erwärmung nicht wie prognostiziert eintritt, werden sich die Menschen von den erneuerbaren Energien abwenden", befürchtet Vahrenholt. Da die tatsächliche Erwärmung die Prognosen bisher jedoch stets überschritten hat - außer in Vahrenholts Grafiken, die lediglich sehr kurze Zeiträume erfassen - dürfte diese Sorge unbegründet sein. Außerdem bezweifelt Vahrenholt, dass es ein globales Klimaabkommen geben wird. Eine Klimapolitik, die nur von Europäern betrieben werde, treibe aber energieintensive Industrien ins Ausland, prophezeit Vahrenholt.

Am Ende der Buchpräsentation gibt Vahrenholt dann noch Einblick in seine Motivation sich fortan von den Klimaskeptikern feiern zu lassen. Er hat sich offenbar über den IPCC-Bericht zu den Erneuerbaren Energien geärgert, den der Klimaökonom Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verantwortet hat. Vahrenholt habe den Bericht begutachtet und dabei "unzählige Fehler gefunden". Als Beispiel nennt er falsche Preisberechnungen für Windstrom. Nun sind die Kosten für den Windstrom weltweit sehr verschieden. Das hängt nicht nur von der Güte der Windstandorte sondern auch von den regionalen Marktbedingungen ab. Edenhofer und seine Autoren haben sich schwer getan, so etwas wie einen global gültigen Marktpreis zu ermitteln. Doch Vahrenholt hat offenbar seine unternehmerischen Erfahrungen bei Repower und Innogy absolut gesetzt. Und noch mehr ärgerte sich Vahrenholt darüber, dass der IPCC das Energieszenario von Greenpeace "Energy-Revolution" als eines von sieben möglichen Ausbauszenarien für erneuerbare Energien verwendet hat. Mit Greenpeace hat sich Vahrenholt schon in seiner Zeit bei Shell angelegt. Vahrenholt war damals die Antwort von Shell auf die Brentspar-Kampagne von Greenpeace, mit der die Umweltorganisation gegen die Versenkung der Ölplattform Brentspar in der Nordsee protestiert hatte. Außerdem unterstellt Vahrenholt dem IPCC ohnehin, zu "etwa einem Drittel mit Greenpeace oder der Umweltstiftung WWF in irgendeiner Art verbunden" zu sein. Und auf der anderen Seite gebe es Vertreter von Entwicklungsländern "so was wie Sudan, Madagaskar, Iran", die ein großes Interesse an Transferzahlungen vom Norden in den Süden hätten, sagte er dem Deutschlandradio Kultur am Montag.

RWE-Innogy-Chef kritisiert Altersgrenze für Vorstände

Doch Vahrenholt ist nicht nur mit dem IPCC unzufrieden. Er kann sich auch mit seiner künftigen Rolle im Aufsichtsrat von RWE-Innogy noch nicht recht abfinden. Vahrenholt kritisierte die Altersgrenze für Vorstandsposten bei seinem Arbeitgeber. Wie bei vielen anderen Dax-Unternehmen auch, können Vorstände bei RWE lediglich bis zum 60. Lebensjahr neu berufen werden und dürfen dann nur noch bis 63 arbeiten. "Das wird im Einzelfall entschieden", sagte eine RWE-Sprecherin dem Tagesspiegel. Der 62-jährige Vahrenholt bedauerte, deshalb den Chefposten bei Innogy aufgeben zu müssen. Die Chefin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, sagte:„Pauschale Altersgrenzen gehören auf den Prüfstand.“ Beschwerden von Vorständen seien zwar bei der Antidiskriminierungsstelle noch nicht eingegangen.

Doch Lüders findet: "Alter allein sagt nichts über die Leistungsfähigkeit aus, solche Regelungen sollten daher eine nachvollziehbare Rechtfertigung haben.“

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