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Höppe

© Kai-Uwe Heinrich

Klimawandel: "Berlin wird ein Klima haben wie Süditalien"

Peter Höppe, Physikprofessor und Umweltmanager von der Münchener Rück, über heiße Sommer, Naturkatastrophen und die positive Rolle der deutschen Klimapolitik.

Herr Höppe, erst Frühjahrshitze, dann wochenlang Kälte und Regen, jetzt extreme Hitze. Sind das Zeichen für den Klimawandel, oder ist das noch normal?

Was wir momentan erleben, ist noch normal. Das, was wir im Frühjahr erlebt haben, war dagegen schon am Rand des normalen Spektrums. Wir hatten noch nie so einen heißen April, und auch der vergangene Winter war der wärmste Winter seit 1860. Unser Wetter wird extremer und schwerer berechenbar.

Können wir nichts mehr dagegen tun?

Es wird auf jeden Fall wärmer. Je nach Entwicklung der CO2-Emissionen wird die Jahresmitteltemperatur in Deutschland um zwei bis fünf Grad steigen. Die Sommer werden schöner, es wird weniger Wolken und insgesamt weniger Niederschlag geben. Das Max-Planck-Institut für Meteorologie geht davon aus, dass die Niederschläge in einigen Regionen um mehr als 30 Prozent zurückgehen. Für die Landwirtschaft könnte das ein großes Problem werden.

Gibt es überhaupt noch Schnee?

Nein, langfristig wohl eher Regen. In den nächsten Jahrzehnten werden wir sicherlich auch noch schneereiche Winter haben, aber tendenziell wird es wärmer, und der Schnee wird häufiger zu Regen. Übers Jahr gesehen werden wir dieselbe Niederschlagsmenge haben wie heute, sie verteilt sich nur anders.

Was heißt das?

Man muss den Hochwasserschutz verstärken, weil das Überschwemmungsrisiko steigt. Und man muss Wasserreservoirs bauen, um im Sommer genug Wasser zu haben. Das ist wichtig für die Landwirtschaft. Aber insgesamt ist das Problem hierzulande gut zu managen.

Also wird Sylt nicht überschwemmt?

Nein, dafür liegt es zu hoch. Der Weltklimarat geht davon aus, dass sich der Meeresspiegel im Laufe dieses Jahrhunderts als Folge vor allem der Erwärmung des Wassers um 18 bis 59 Zentimetern erhöht. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bezieht in seine Prognosen auch ein Abrutschen von Gletschern in Grönland und in der Antarktis ins Meer ein und rechnet mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 56 Zentimeter bis 1,40 Meter. Für die Halligen könnte das ein Problem werden, wenn man nicht den Hochwasserschutz verstärkt. Aber Sie sehen: Es gibt hier eine große Unsicherheit und eine breite Spanne der Schätzungen. Und zudem ist der Meeresspiegelanstieg eine ganz langfristige Entwicklung. Es gibt also keinen Grund zur Panik. Aber deutlich ist: Es sind konsequente internationale Anstrengungen zum Klimaschutz nötig.

Was verändert sich in Berlin?

Berlin wird ein ähnliches Klima haben wie es heute im südlichen Italien herrscht. Das ist nicht von vorneherein schlecht, aber man muss sich anpassen. Man muss anders bauen, und es werden hier andere Pflanzen wachsen. Madrid könnte - klimamäßig - in die Sahara rutschen, wenn Klimaschutz nicht ernsthaft genug betrieben wird. Das ist schon schlimmer. Unterm Strich überwiegen zwar die Verlierer des Klimawandels, aber es gibt auch Gewinner, zum Beispiel Skandinavien und Russland. Dort ist es dann nicht mehr so kalt, und vor allem die Landwirtschaft wird profitieren.

Was ist mit Afrika und den großen Flusstälern in Asien?

Afrika wird am meisten leiden. Dort fehlen die Mittel, sich anzupassen, und es gibt schon heute viele Regionen, in denen man kaum leben kann. Wir von der Münchener Rück engagieren uns in der Munich Climate Insurance Initiative (MCII). Wir haben diese Initiative vor zwei Jahren gegründet. Vertreten sind dort auch die Weltbank, einige Nichtregierungsorganisationen und wissenschaftliche Institute. Es geht darum, eine Versicherungslösung für Entwicklungsländer zu finden und ihnen mögliche Schäden aus dem Klimawandel zu erstatten. Es liegt uns sehr am Herzen, hierzu Lösungen zu finden.

Wer bezahlt denn die Prämien, wenn die armen Länder das nicht können?

Wir stellen uns vor, dass man über den Emissionshandel Geld einsammelt und in einen Pool steckt. Aus dem werden dann die Prämien gezahlt. Damit würden jene, die viel CO2 emittieren, die Prämien bezahlen.

Und die Münchener Rück profitiert?

Nicht durch die MCII. Das haben wir gemacht, weil wir meinen, dass eine gewisse Absicherung von Menschen in ärmeren Ländern gegen die Folgen des Klimawandels nötig ist, auch wenn sie sich Versicherungsschutz nicht leisten können. Aber insgesamt sehen wir durchaus viele Chancen für unser Unternehmen. Wir quantifizieren die Risiken des Klimawandels und haben viel Expertise in den Technologien zur Verminderung von Treibhausgasen und der Anpassung an den Klimawandel aufgebaut. So erforschen wir beispielsweise, wie man Off- Shore-Windparks bauen muss, damit sie sicher sind und wir bieten zugleich innovative Versicherungslösungen an. Das führt zum einen zu neuem Geschäft, fördert aber auch den Ausbau von erneuerbaren Energien.

Werden Menschen in Afrika oder Bangladesch ihr Zuhause aufgeben müssen und nach Europa wandern?

Es wird sicherlich Wanderungsbewegungen geben. Unsere Verantwortung ist dafür zu sorgen, dass das Weltklima nicht kippt und solche Migrationsbewegungen nicht in größerem Maße nötig werden.

Nehmen die Naturkatastrophen zu?

Seit 1970 haben wir alle Naturkatastrophen in Deutschland dokumentiert. Wir haben heute im Jahr circa dreimal so viele Schaden bringende Naturereignisse wie vor 35 Jahren. Damals waren es zehn, heute sind es 30 pro Jahr. Dabei spielen vor allem die Stürme eine große Rolle. Kyrill war in Deutschland der teuerste Wintersturm aller Zeiten. Wir haben jetzt mehr warme Winter. Das führt dazu, dass mehr atlantische Tiefdruckgebiete den Kontinent erreichen und damit die Gefahr von Stürmen steigt. Aber viel deutlicher sehen wir eine wachsende Gefahr bei den Hurrikanen in Nordamerika.

Die Politik will CO2-Emissionen reduzieren. Helfen die Beschlüsse des G-8-Gipfels in Heiligendamm und des EU-Gipfels, das Klima zu retten?

Ich finde die EU-Ziele sehr gut, und ich hoffe, dass sie eingehalten werden. 20 Prozent CO2-Reduktion bis zum Jahr 2020, das finde ich sehr ambitioniert. Zugleich will man den Anteil der erneuerbaren Energien ebenfalls auf 20 Prozent steigern, was einen unglaublichen Investitionsschub auslösen wird. Dasselbe gilt für die geplante Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent. Das ist genau der Weg, den wir einschlagen müssen. Und es ist gut, wenn Deutschland eine Vorreiterrolle einnimmt.

Die Münchener Rück warnt seit den 70er Jahren vor Klimaveränderungen. Jetzt wird auf Sie gehört. Freut Sie das?

Das ist für uns eine tolle Bestätigung. Wir waren lange die Außenseiter, jetzt finden unsere Einschätzungen Anerkennung.

Das Gespräch führten Heike Jahberg und Dagmar Dehmer.

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