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Klimawandel: Neuer Streit um die Kohle

Nach dem Rückzug der Union ist die CO2-Abscheidung und -Speicherung wieder umstritten. Das durchkreuzt die Kraftwerkspläne von Vattenfall

Berlin - Völlig unerwartet ist die Zukunft der Kohle wieder ins Zentrum der energiepolitischen Debatte geraten. Nachdem am Dienstag die Unionsfraktion von einem Regierungsentwurf über die Abscheidung und Speicherung von CO2 abgerückt war, frohlockten am Mittwoch die Gegner der Kohle. Am Brandenburger Tor überreichten sie der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, mehr als 30 000 Unterschriften gegen das geplante CCS-Gesetz (CCS steht für Carbon Capture and Storage). „Wir brauchen keine neuen Kohlekraftwerke und damit erst recht keine Speicherung von CO2“, sagte Künast. Dagegen glaubt die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Katherina Reiche, noch an eine Verabschiedung des Gesetzes in dieser Legislaturperiode. „Wenn wir das nicht mehr vor der Sommerpause beschließen, verlieren wir ein knappes Jahr, und dann wird es zu spät, um Fördermittel der EU zu bekommen“, sagte Reiche dem Tagesspiegel. Das Gesetz regelt unter anderem die Haftung für die Speicher.

Vor allem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Carstensen (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hatten Bedenken gegen das Gesetz angeführt. In den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg will RWE CO2 speichern und plant dafür in diesem Herbst erste Untersuchungen des Gesteins. Die Bewohner sind verängstigt, binnen weniger Wochen hat sich eine Bürgerinitiative mit gut 2000 Mitgliedern gebildet. Gemeindevertreter und Bauernverband riefen dazu auf, den RWE-Leuten keinen Zutritt zu ihren Grundstücken zu gewähren. Das von RWE vorgesehene Gebiet umfasst 260 Quadratkilometer; zur Erkundung des Gesteins müssten etwa 1000 Grundstückseigentümer ihre Zustimmung geben.

In Brandenburg will Vattenfall im Oderbruch sowie rund um das ostbrandenburgische Beeskow mögliche Lagerstätten für das Klimagas testen. Am Dienstag hatte sich Potsdams Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in Reaktion auf den Meinungsumschwung in der Union vehement für das Gesetz und die CO2-Speicherung als „wichtige Klimaschutz-Option“ ausgesprochen. Vattenfall baut in der Lausitz großflächig Braunkohle ab und verstromt diese in diversen Kraftwerken. Vergangenen Sommer nahm Vattenfall am Kraftwerksstandort Schwarze Pumpe eine erste Forschungsanlage zur CO2-Abscheidung in Betrieb und plant eine Pilotanlage in Jänschwalde. Vattenfall-Europe-Chef Tuomo Hatakka bewertete „die aktuellen politischen Entwicklungen als intransparenten und unverständlichen Prozess, der dem Klimaschutz in letzter Minute den Weg verstellt“.

Ähnlich äußerte sich Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf dürfe nicht „durch immer neue Verschärfungen, kleinkarierte Einwände oder provinzielle Kirchturmspolitik verschleppt und torpediert werden“, sagte Schmoldt. Zumal die Abscheidung und Speicherung von CO2 gleich drei Chancen biete: weltweite Emissionsminderung, Sicherung von Arbeitsplätzen in der deutschen Energiewirtschaft und Exportmöglichkeiten für die deutsche Industrie.

Die frühere NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn, die nun für die Grünen im Bundestag sitzt, plädierte dagegen für eine Verschiebung beziehungsweise Änderung des Gesetzes. Der Entwurf der Regierung sei ein „absoluter Schnellschuss und für die großen Energiekonzerne geschrieben“. Es gebe viele Vorbehalte vor allem gegen die Speicherung, da die Technologie „riesige Risiken“ beinhalte. Höhn plädierte dafür, nur ein abgespecktes CCS-Forschungsgesetz zu erlassen, mit dem die Arbeit der drei von RWE, Vattenfall und Eon geplanten Forschungsanlagen inklusive Speicherung geregelt werden könnte.

Die brandenburgische CDU-Politikerin Reiche hält davon nichts, da auch für ein Forschungsgesetz dieselben Standards gelten müssten wie für das eigentlich geplante CCS-Gesetz. Reiche appellierte an die Kohlekonzerne, sich um Akzeptanz für die CCS-Technologie in der Bevölkerung zu bemühen „und die Sorgen und Bedenken vor Ort demutsvoll aufzunehmen“. mit han/ste

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