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Wirtschaft: Klingeltöne für die Konjunktur

Telekommunikationsfirmen investieren wie kaum eine andere Branche in Werbung – Agenturen und Kreative hoffen auf ein gutes Jahr

Die Telekommunikationsbranche kurbelt die Konjunktur an – zumindest die der Werbeagenturen. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres hat kein großer Wirtschaftszweig seine Ausgaben für TV-Spots und Anzeigen so stark gesteigert wie die Hersteller von Foto-Handys, Klingeltönen oder UMTS-Technologie. Nach zwei Flautejahren mit sinkenden Werbeumsätzen macht das den Agenturchefs Hoffnung für den Rest des Jahres. Denn die gerade zu Ende gegangene Computermesse Cebit hat gezeigt: An neuen Produkten und Diensten, die den Konsumenten erklärt und verkauft werden müssen, mangelt es nicht.

Holger Jung, Präsident des Gesamtverbandes der Kommunikationsagenturen (GWA) spricht denn auch erwartungsvoll vom „kreativen Feuerwerk“, das die Cebit abgebrannt habe. „Springlebendig“ müsse nun die Werbung für die schönen technischen Neuheiten sein. Und Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der Werbewirtschaft (ZAW) hat zumindest „positive Signale“ aus Hannover empfangen, die sich auch im Investitionsverhalten der Unternehmen niederschlügen.

Der Marktforscher Nielsen verbuchte allein im Januar und Februar ein Plus bei den Werbeausgaben der Telekommunikationsfirmen von fast 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 124 Millionen Euro investierten die Unternehmen insgesamt. Nur Massenmedien, Handel und Autokonzerne gaben in absoluten Zahlen gerechnet mehr aus. „Im Januar und Februar wurden in den klassischen Medien brutto 100 Millionen Euro mehr für Werbung investiert als im Vorjahr“, sagt der Geschäftsführer von Nielsen Media Research, Ludger Vornhusen. „Die Hälfte stammt von Telekommunikationsfirmen.“

Bringt die Telefonbranche 2004 den Werbemarkt auf Trab? Werden die konsummüden Verbraucher von Klingeltönen geweckt? Bei genauerer Betrachtung sind die Werbeexperten skeptischer. „Die Konsumenten sind gar nicht müde“, sagt Holger Jung. „Sie haben Angst.“ Für den GWA-Chef steht dabei weniger die aktuelle Sorge vor neuen Terroranschlägen im Vordergrund. Arbeitslosigkeit, Altersvorsorge und die Reform des Gesundheitssystems bereiteten den Leuten viel größere Kopfschmerzen und hielten sie vom leichtherzigen Shopping ab. Daran hätten auch die Entlastungen durch die Steuerreform nichts geändert. Für die Agenturen und die werbetreibende Wirtschaft, die 2003 laut Nielsen 17,2 Milliarden Euro in Werbung investierte, sei dies eine neue Herausforderung: „Schlechte Zeiten fördern nicht unbedingt den Mut“, sagt Jung, der Geschäftsführer der Hamburger Kreativagentur Jung von Matt. Auch Werbung könne das Ruder nicht einfach herumreißen, wenn eine Branche – etwa die Autoindustrie – unter einer grundsätzlichen Absatzflaute leide.

Mit ihren Prognosen für das Gesamtjahr sind die Marketingfachleute deshalb vorsichtiger als in den Vorjahren. Seien es die Weltpolitik oder die Reformen: „Die Werbewirtschaft reagiert sehr viel sensibler als früher auf veränderte Rahmenbedingungen“, sagt ZAW-Sprecher Nickel. „Das Werbewachstum wird im April vielleicht noch anhalten. Danach ist alles offen“, glaubt Nielsen-Geschäftsführer Vornhusen. Die Terroranschläge in Madrid hätten gezeigt, „dass Prognosen nur unter erheblichen Vorbehalten  möglich sind“.

So bleibt die erfolgreiche Leistungsschau Cebit vorerst nur ein Hoffnungszeichen für die Werbewirtschaft. Wie auch die Finanzdienstleister und Banken, die laut GWA-Frühjahrsmonitor wieder mehr für Werbung ausgeben wollen. Sollten die Aktienkurse aber weiter fallen, dürften auch diese Werbeetats noch einmal überprüft werden. Volker Nickel: „Der ZAW rechnet zurzeit mit einem Wachstum der Werbeumsätze im Jahr 2004 von einem bis maximal zwei Prozent.“ Zum Vergleich: 2003 sanken die Ausgaben um zwei Prozent, im Jahr zuvor gingen sie um sechs Prozent zurück. Auch der GWA bleibt in der Defensive. Zwei Prozent Wachstum seien möglich, schätzt Holger Jung. Damit gibt sich der Präsident pessimistischer als seine Verbandsmitglieder: Zwei Drittel der Agenturen haben in der Frühjahrsumfrage ein Plus von drei Prozent vorausgesagt. Immerhin.

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