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Keine Einigung: Soll man die Abhebegebühren am Automaten per Gesetz einschränken? Das muss jetzt die große Runde entscheiden.

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Update

Koalitionsverhandlungen: Stromsperren sollen vermieden werden

Hilfe für Stromkunden, die ihre Rechnung nicht mehr bezahlen können, mehr Geld für die Stiftung Warentest, aber keine Einigung bei Dispozinsen und Bankgebühren: Die Koalitionsunterhändler beenden ihre Verhandlungen zum Verbraucherschutz.

Mehr Geld für die Stiftung Warentest und den Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), ein Sachverständigenrat, der die Bundesregierung in Verbraucherfragen beraten soll, mehr Schutz der Verbraucher vor Betrügereien am Telefon und Hilfe bei drohenden Strom- und Gassperren – auf diese Kernpunkte haben sich Union und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen zum Verbraucherschutz geeinigt, die am Freitag zu Ende gingen. Offen sind dagegen noch der Wunsch der SPD nach einer gesetzlichen Deckelung der Dispozinsen und der Gebühren für Barabhebungen am Geldautomaten, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD, Elvira Drobinski-Weiß, dem Tagesspiegel. Unklar ist auch der künftige Zuschnitt des Verbraucherministeriums. Während die SPD die Agrar- von der Verbraucherpolitik trennen will, will die Union am bisherigen Zuschnitt festhalten. Über diese Themen wird in der kommenden Woche in der großen Runde beraten. Dasselbe gilt für die Forderung der SPD, Marktwächter für den Energiebereich einzurichten, die Verstöße ahnden sollen. Die Union lehnt das ab und will stattdessen einen Bundesbeauftragten für Verbraucherschutz.

Dass es auf dem Energiesektor Handlungsbedarf gibt, räumen jedoch alle Seiten ein. Die bestehenden Grundversorgungstarife der Energieanbieter sollen fairer gestaltet werden, Verbraucher mit geringem Einkommen besser vor Strom- oder Gassperren geschützt werden, beschloss die Gruppe unter Leitung von SPD-Vize Ulrich Kelber und der Verbraucherschutzbeauftragten der CDU-Fraktion, Mechthild Heil. Stromanbieter sollen verpflichtet werden, auf Wunsch der Kunden intelligente Stromzähler mit Prepaidfunktion einzubauen statt wie bisher bei Zahlungsverzug Strom oder Gas abzustellen. "Dabei handelt es sich um ein Instrument zu Gunsten finanziell schwacher Kunden, das sich in Nachbarländern bereits bewährt hat", sagte Kelber am Montag in Berlin. Bisher müssen Stromkunden damit rechnen, dass ihnen der Strom nach dreimaliger Mahnung abgestellt wird und sie dafür zahlen müssen, um den Anschluss wieder frei zu schalten. "Davon sind etwa 300 000 Verbraucher im Jahr betroffen", berichtete Heil. Ein intelligenter Zähler mit Prepaidfunktion mache das Abschalten unnötig "und die Verbraucher sparen Geld", betonte die CDU-Verbraucherpolitikerin.

Gegen die um sich greifende „Energiearmut“ will die Koalition auch eine bessere Gestaltung der Grundversorgertarife, die ebenfalls vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen helfen soll. "Diese haben oft nicht die Möglichkeit zu anderen Anbietern zu wechseln und sind daher in den meist deutlich teureren Tarifen gefangen", betonte der SPD-Politiker.

Aber auch in anderen Bereichen soll der Schutz der Verbraucher gestärkt werden. Verträge, die aus unerlaubter Telefonwerbung hervorgehen, sollen erst nach schriftlicher Bestätigung wirksam werden, für Kinderspielzeuge soll eine Prüfung durch unabhängige Dritte Pflicht werden. Zudem will sich die Koalition auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass deutsche Gütezeichen wie das GS-Siegel, das Tierwohllabel und die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in der gesamten EU verpflichtend eingeführt werden. Bei Hygienemängeln in Restaurants soll eine verbindliche, rechtliche Grundlage geschaffen werden, die es den Behörden erlaubt, die Verstöße öffentlich zu machen. Über dieses Thema wird in Deutschland seit Jahren gestritten.

Auch für den Datenschutz machen sich die Verbraucherpolitiker stark. „Deutschland wird in der EU für einen wirksamen Datenschutz kämpfen“, erklärten Kelber und Heil am Freitag Nachmittag. Bei der EU-Datenschutzverordnung soll die neue Regierung auf EU-Ebene durchsetzen, dass Daten nicht ohne die vorherige Einwilligung des Bürgers gespeichert werden dürfen und dass datenschutzrechtliche Voreinstellungen sowie das Recht auf Löschen von Daten rechtlich verankert werden. „Die Bereiche Internet, digitale Güter und elektronischer Handel sind sehr wichtig“, sagte die hessische Umwelt- und Verbraucherministerin Lucia Puttrich (CDU), die zur Verhandlungskommission gehörte, dem Tagesspiegel. Dazu zählt auch der Beschluss, für Streitigkeiten rund um Internet-Geschäfte eine Online-Schlichtungsstelle einzurichten.

Bereits zu Beginn ihrer Verhandlungen hatten sich die Unterhändler darauf geeinigt, die Stiftung Warentest und den VZBV stärker zu unterstützen. Wie viel die Verbraucherschützer mehr bekommen sollen, ist jedoch noch offen. Bei der Stiftung handele es sich aber um einen „wesentlichen Betrag“, erfuhr der Tagesspiegel aus Verhandlungskreisen. Bereits 2012 hatte die alte Regierung beschlossen, die Zuwendungen an die Stiftung Warentest um 1,5 Millionen Euro im Jahr zu erhöhen, um mit zusätzlichen Tests und Informationen die Finanzbildung der Verbraucher zu verbessern. Mehr Geld soll auch aus anderen Quellen in den Verbraucherschutz fließen. So sollen 20 Prozent der Bußgelder aus Kartellverstößen sowie der Gewinne, die Unternehmen durch unseriöse Geschäftspraktiken erzielen, für den Verbraucherschutz eingesetzt werden.

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