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Kohlekraftwerk Moorburg

© ddp

Kohlekraftwerk: Falle für Schwarz-Grün

Kraftwerkspolitik : In Hamburg- Moorburg sorgt ein im Bau befindliches Kohlekraftwerk von Vattenfall für politischen Zwist.

Christa Goetsch sieht schon die Stadt absaufen. Weil Ole von Beust und Vattenfall mit ihrer Kraftwerkspolitik den Meeresspiegel steigen lassen. Deshalb hatte die Spitzenkandidatin der Grünen vor der Bürgerschaftswahl massiv getrommelt gegen die Pläne des Energiekonzerns, in Moorburg ein neues Steinkohlekraftwerk zu bauen. „Statt die Energiewende voranzutreiben, jagt der Bürgermeister gemeinsam mit Vattenfall die CO2-Emissionen in die Höhe“, schimpfte die Grüne. Und das, obwohl „schon heute in der Hafencity die Keller voll laufen“. Das Kraftwerk Moorburg ist für die Grünen Symbol für eine völlig verstaubte Energiepolitik. In den schwarz-grünen Sondierungsgesprächen wird Moorburg deshalb eine Hauptrolle zukommen.

Für CDU-Bürgermeister Beust ist der Rückzug kaum möglich. Im letzten November hat die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt den vorzeitigen Beginn des Baus genehmigt. Das ist zwar keine endgültige Genehmigung. Doch mit welcher Begründung sollte nun der Bau noch verhindert werden? Zumal nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden muss, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Viel Platz für politische Entscheidungen ist da nicht – zumindest nicht auf den ersten Blick.

Gut zwei Milliarden Euro kostet das neue Kraftwerk. Vier Millionen Tonnen Steinkohle – aus Polen und Indonesien, Südafrika, Russland und Australien – will Vattenfall jedes Jahr in Moorburg verfeuern. Dafür gibt es dann 1640 Megawatt Strom und bis zu 650 Megawatt Fernwärme. Zum Vergleich: Das in Berlin- Lichtenberg geplante Steinkohlekraftwerk ist halb so groß wie Moorburg. Derzeit ist von den hierzulande genehmigten Kohlekraftwerken nur die RWE-Braunkohleanlage Neurath in NRW mit 2200 Megawatt größer als Moorburg. Und dreckiger. Neurath bläst im Jahr nach Rechnungen der Deutschen Umwelthilfe 15 Millionen Tonnen CO2 in die Luft, Moorburg 9,2 Millionen Tonnen. Zu viel für die Grünen. Und womöglich zu viel für eine schwarz-grüne Koalition.

Vattenfall rechnet gegen: Da das neue Kraftwerk ältere und noch schmutzigere Anlagen ersetzt, würden insgesamt 2,3 Millionen Tonnen CO2 weniger emittiert. Von „höchsten Ansprüchen an den Umwelt- und Klimaschutz“ spricht die deutsche Vattenfall, die vor allem im Osten Deutschlands Braunkohle verstromt – diese wiederum enthält noch mehr CO2 als Steinkohle. Mit seinen Wirkungsgraden bei der Strom- und Wärmeerzeugung sei Moorburg spitze, argumentiert das Unternehmen. Und an Stelle des 50 Jahre alten Kraftwerks Wedel werde die neue Anlage per Fernwärme 35 000 Wohnungen versorgen. Die auch von den Ökologen geschätzte Kraft-Wärme–Kopplung respektive das Fernwärmesystem spart nach Vattenfall-Angaben weitere 157 000 Tonnen CO2.

Die Gegner beeindruckt das nicht. Die Deutsche Umwelthilfe lehnt Kohle ab, weil bei jeder Kilowattstunde Strom, die mit Steinkohle erzeugt wird, 750 Gramm CO2 in die Luft gehen. Bei Gas ist es mit 365 Gramm weniger als die Hälfte. Kohlekraftwerke, so die Forderung von Klimaschützern und Grünen, sollten nur noch genehmigt werden, wenn die CO2-Abscheidung (CCS) gewährleistet ist. Das kann dauern. Zwar baut Vattenfall gerade in der Lausitz eine Pilotanlage. Doch bis das erste Großkraftwerk auf Kohlebasis CO2-frei läuft, dürften mindestens noch zehn Jahre vergehen.

Trotzdem hat sich Vattenfall gegenüber den Hamburger Behörden verpflichtet, Moorburg entsprechend nachzurüsten, sobald die CCS-Technologie reif ist. Sogar eine Vertragsstrafe von 3,5 Millionen Euro pro Jahr vereinbarten Hamburg und Vattenfall, falls das Unternehmen nicht nachrüsten sollte. Neben dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Energiekonzern, zu Maßnahmen „zum Schutz der Elbe und zur Verbesserung der Wasserqualität“. Das betrifft vor allem die Wassertemperatur, die Einhaltung der Sauerstoffkonzentration sowie eine zweite Fischtreppe an einem Wehr. Die Wassermengen zum Betrieb des Kraftwerks sind enorm, entsprechend groß sind die Auswirkungen auf die Elbe. Vattenfall hat sich in den Verträgen auf eine maximale Temperaturdifferenz von drei Grad festgelegt: Das Elbwasser, das in den Fluss zurückgegeben wird, darf maximal drei Grad wärmer sein als das Wasser, das dem Fluss entnommen wurde.

Beim Wasser kann die mögliche schwarz-grüne Koalition Moorburg vielleicht noch stoppen. Am Immissionsschutzgesetz kommt die Politik nicht vorbei, das ist Verwaltungshandeln pur. Aber über den Umweg des Wasserrechts ließe sich vermutlich ein unüberwindbarer Damm vor Moorburg bauen. Wenn die Grünen das von ihrem Partner Ole von Beust als Mitgift fordern.

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