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Wirtschaft: Kompromiss erwartet - EU-Kommissar Frits Bolkestein legt sich nicht auf Zeitraum fest

Deutschland, Luxemburg und Österreich werden sich bei einer europäischen Lösung für die Zinsbesteuerung möglicherweise in vielen, wahrscheinlich in zehn Jahren mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses gegenüber ihren EU-Partnern abfinden müssen.Diese Auffassung hat der EU-Kommissar für Steuern und Binnenmarkt, Frits Bolkestein, in einem Gespräch mit dem Handelsblatt erkennen lassen.

Deutschland, Luxemburg und Österreich werden sich bei einer europäischen Lösung für die Zinsbesteuerung möglicherweise in vielen, wahrscheinlich in zehn Jahren mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses gegenüber ihren EU-Partnern abfinden müssen.

Diese Auffassung hat der EU-Kommissar für Steuern und Binnenmarkt, Frits Bolkestein, in einem Gespräch mit dem Handelsblatt erkennen lassen. "Ich kann nicht ausschließen, dass wir alle auf sehr lange Sicht Informationen liefern müssen", so der Niederländer. Dies werde für den luxemburgischen Premier und Finanzminister Jean-Claude Juncker und die österreichische Regierung hart sein, meint der Kommissar. Im Falle Deutschlands könne er dies nicht beurteilen. Bolkestein verwies in dem Zusammenhang auf die Verhandlungen über gegenseitige Informationen in der OECD sowie auf das Drängen der Briten zu dieser Lösung.

Vor allem Luxemburg sträubt sich seit langem gegen eine Pflicht zur Information über die Kapitalanlagen von EU-Ausländern und zieht als Kompromiss im langen Streit über eine gemeinschaftliche Regelung der Kapitalertragsteuer eine niedrige Quellenbesteuerung vor.

Vorerst bleibe jedoch das "Koexistenzmodell" die Basis für die weitere Debatte, meint Bolkestein. Nach diesem von der Kommission vorgeschlagenen Ansatz sollen die EU-Staaten zwischen der Meldepflicht und einer Quellensteuer in Höhe von 20 Prozent wählen können. Trotz einer, wie er sagt, weiterhin "zähen Diskussion" bleibt Bolkestein optimistisch, dass es zu einem Kompromiss bei der Zinsbesteuerung kommt. Gegenwärtig gehe es um die Verbindung zwischen dem Koexistenzmodell und dem späteren Übergang aller Länder zum Informationssystem. Im Mittelpunkt stehe die Frage, ob man den Zeitpunkt des Übergangs offen lasse oder lediglich eine Überprüfungsklausel vereinbare. Große Schritte habe London unternommen, das die für die City wichtigen Eurobonds jetzt in die EU-Regelung einbeziehen wolle und die Kosten einer Meldepflicht nicht mehr als Hindernis geltend machte.

Im Zusammenhang mit dem im Grundsatz vereinbarten und mit der Zinsbesteuerung politisch verknüpften EU-Verhaltenskodex gegen unfaire Praktiken bei der Unternehmensbesteuerung betont Bolkestein, die Kommission sei zwar für Steuerwettbewerb, jedoch gegen schädliche Maßnahmen: "Wir wollen keine Subventionen."

Bei der ebenfalls ungelösten EU-Mindestregelung für eine Energiebesteuerung erhofft sich der Binnenmarktkommissar von bevorstehenden Gesprächen in Madrid, das bislang der Hauptgegner der EU-Richtlinie war, Überzeugungserfolge. Bei der Mehrwertsteuer werde sein neuer Ansatz, das geltende EU-System zu vereinfachen, von allen Mitgliedstaaten voll mitgetragen. Der Plan, letztlich die Besteuerung im Ursprungsland als endgültiges System einzuführen, sei damit keineswegs aufgegeben.

Liberalisierung der Postmärkte

Bolkestein will noch in diesem Monat Vorschläge zur weiteren Liberalisierung der EU-Postmärkte Anfang 2003 vorlegen. "Das wird Musik in den Ohren der Deutschen Post AG sein", verspricht er. Die französische Regierung macht unterdessen keinen Hehl aus ihrer Ablehnung einer weiteren Öffnung des nationalen Briefmonopols. Wie bereits berichtet, strebt die Kommission eine Einschränkung des Monopols für Standardbriefe bis zu einem Gewicht von 50 Gramm an. Bislang liegt die Grenze bei einem Gewicht von 350 Gramm.

Nach heftigen Widerständen aus mehreren Mitgliedstaaten ist nicht vorgesehen, in den Richtlinienentwurf ein Datum für das Ende der Postmonopole aufzunehmen. Mit Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden seien nur fünf EU-Staaten Befürworter einer vollständigen Liberalisierung, heißt es in der Kommission. Selbst in Großbritannien gebe es Widerstände. Brüssel will vorschlagen, nach dem Liberalisierungsschritt 2004 die Marktentwicklung zu analysieren und anschließend über das weitere Vorgehen zu beraten. Es sei nicht auszuschließen, dass eine weitere Übergangsphase nötig werde.

Mit dem weiteren Abbau der Postmonopole sieht sich Bolkestein im Trend des Marktes. In mehreren Mitgliedstaaten sind die Postmärkte stärker geöffnet als in der geltenden EU-Richtlinie vorgesehen.

Experten in der EU-Behörde verteidigen das vorsichtige Vorgehen bei der weiteren Öffnung mit den Erfahrungen, die während der Amtszeit von Binnenmarktkommissar Martin Bangemann gesammelt wurden. Dieser habe eine "Big-Bang-Politik" betrieben. Die Widerstände in den EU-Hauptstädten gegen dieses Vorgehen seien heute noch zu spüren. Daher sei es sinnvoll, die Binnenmarktpolitik Schritt für Schritt anzugehen.

wff, jh

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