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Wirtschaft: Konflikt hat „unkalkulierbare“ ökonomische Folgen

Die EU-Finanzminister tagen in Brüssel – und werden wohl den Stabilitätspakt und die Haushaltsdisziplin zur Disposition stellen

Berlin (asi/brö). Die Bundesregierung rechnet mit „unkalkulierbaren“ Folgen des IrakKrieges auf die deutsche Wirtschaft und den Bundeshaushalt. Anlässlich der Verabschiedung des Etats 2003 sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Donnerstag im Bundestag, entscheidend sei, dass Deutschland und seine Partnerstaaten „auf alle Eventualitäten vorbereitet sind“. Der Waffengang am Golf könne die Konjunkturschwäche weiter verschärfen.

Der europäische Wachstums- und Stabilitätspakt beinhaltet laut Clement Möglichkeiten, auf Konjunkturgefahren zu reagieren. Die Staaten würden diese Gegebenheiten nutzen, ohne das Vertrauen in den Euro und in den Pakt zu gefährden. So sieht das auch EU-Währungskommissar Pedro Solbes. Der Krieg verursache „außergewöhnliche Umstände“, die den Mitgliedsstaaten mehr Freiheiten in der Haushaltspolitik einräumten.

Erste gemeinsame Positionen der EU werden vom Treffen der Regierungschefs und Finanzminister am Donnerstag und Freitag erwartet. Dabei soll grundsätzliche Übereinstimmung erzielt werden, dass die europäischen Länder bei einer Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums durch den Krieg ihre Verschuldungsziele überschreiten können, ohne mit Sanktionen der Brüsseler Kommission rechnen zu müssen.

Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag einen Haushalt, der bei einem Wirtschaftswachstum von einem Prozent eine Neuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro vorsieht. Allerdings geht kaum noch jemand davon aus, dass diese Ziele erreicht werden. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Poß, nannte die Wachstumsmarke von einem Prozent in dieser Zeitung „eine politische Zielmarke“. Niemand könne derzeit sagen, ob sie erreicht wird. Poß räumte auch Risiken im Ausgabenbereich ein. So sei das Ziel, die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr nicht mit Bundesmitteln zu unterstützen, „sehr ehrgeizig“ und könne „eventuell nicht erreicht werden“.

Das Ifo-Institut geht im Falle eines kurzen Krieges im Irak nicht von einer großen Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums in Deutschland aus. Unter der Annahme, dass die Militäraktion kurz sein wird und nicht zu einem weiteren Anstieg der Ölpreise oder zu einer politischen Destabilisierung des Nahen Ostens führt, erwarte das Institut nach wie vor ein deutsches Wachstum von 0,9 Prozent in diesem Jahr, sagte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn am Donnerstag. Dennoch könnte der Angriff der US-Truppen die Krise der Weltwirtschaft weiter vertiefen. Zwar begrüßen die Händler an den Finanz- und Rohstoffmärkten erst einmal das Ende der weltpolitischen Unsicherheit. Konjunkturforscher befürchten jedoch als Folge des Krieges einen erneuten Abschwung – und für Deutschland gar eine neue Rezession. Schuld daran ist nicht nur die Angst vor Terror-Anschlägen. Auch die enormen Kosten für den Krieg und den Wiederaufbau des Irak könnten Kräfte binden. Denn dies würde die Konjunkturlokomotive USA bremsen. „Je länger der militärische Konflikt dauert, desto stärker belastet er die amerikanische Wirtschaft“, warnt Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA).

Wie stark die wirtschaftlichen Konsequenzen sein werden, hängt entscheidend von der Dauer des Konfliktes ab. Derzeit beruhigt die Wirtschaftsexperten allein die Aussicht auf ein schnelles Kriegsende. Die US-Beratungs- und Analysefirma Global Insight glaubt, dass das Szenario eines nur zwei Monate dauernden Krieges, bei dem nicht mehr als 1000 US-Soldaten den Tod finden, mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent eintritt. Alle anderen Szenarien über einen längeren Krieg seien angesichts der amerikanischen Überlegenheit unwahrscheinlich, meinen die Fachleute. Das schnelle Kriegsende wird laut einer Studie von Global Insight eine „positive Dynamik“ auf den Weltmärkten schaffen. Denn der Ölpreis werde dann im Jahresschnitt nicht über 25,30 Dollar pro Barrel steigen, und Verbraucher und Unternehmen dürften bald wieder Mut zu neuem Konsum und Investitionen fassen.

Aber selbst in diesem Fall bleibt die Sorge um die ökonomische Stärke Amerikas. Die Schätzungen über die Kosten des Irak-Krieges schwanken enorm – zwischen 50 und 100 Milliarden Dollar, plus bis zu 100 Milliarden Dollar für den anschließenden Wiederaufbau des Landes. Dabei ist jetzt schon klar, dass der US-Staatshaushalt in diesem Jahr mit einem Minus von rund 300 Milliarden Dollar abschließen wird. Eine zu hohe Schuldenaufnahme Washingtons könnte die Finanzmärkte aber belasten, so dass Anleger ihr Geld lieber in anderen Ländern investieren und somit dort für Wachstum sorgen, argwöhnen Händler.

Fehlt der US-Wirtschaft aber die Kraft, wie in den vergangenen Jahren andere Volkswirtschaften mitzureißen, sieht es auch für das exportorientierte Deutschland schlecht aus. Bliebe der Ölpreis entgegen den Erwartungen doch für mehrere Monate über der Marke von 35 Dollar und gewänne der Euro weiter an Wert, kostete das 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte von der Wachstumsrate, hat der Rat der fünf Wirtschaftsweisen ausgerechnet – keine guten Perspektiven. Sogar eine Rezession halten die Experten dann für möglich.

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