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© dpa

Konjunktur: Forscher machen es der Koalition schwer

Herbstgutachten: Die Wirtschaftsinstitute verlangen einen harten Sparkurs – sonst drohen Inflation und höhere Zinsen.

Berlin - Die führenden Wirtschaftsinstitute haben die neue Regierung aufgefordert, einen harten Sparkurs einzuschlagen. Die von Union und FDP im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen seien nur möglich, wenn die Ausgaben noch stärker gesenkt würden, als es ohnehin mittelfristig nötig sei. Es gebe Luft für Ausgabensenkungen von 30 Milliarden Euro. „Durch Kredite finanzierte Steuersenkungen würden sich auf Dauer als sehr teuer erweisen“, warnte Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) am Donnerstag in Berlin.

Zugleich prognostizierten die Ökonomen eine nur mäßige Erholung der Wirtschaft. Für 2010 erwarten sie ein um 1,2 Prozent zunehmendes Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zugleich werde die Zahl der Arbeitslosen über die Marke von vier Millionen klettern. Erst 2013 werde die Bundesrepublik wieder die Wirtschaftsleistung des Jahres 2008 erreichen. Am sogenannten Herbstgutachten arbeiten im Auftrag der Bundesregierung insgesamt acht Institute mit 40 Ökonomen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich.

Verwundert äußerten sich die Experten darüber, dass bislang kein klarer Kurs der neuen Regierung in der Finanzpolitik zu erkennen sei. „Es kann nicht sein, über das Wochenende ein paar Wohltaten zu verteilen“, sagte Joachim Scheide, Chefvolkswirt beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen. Union und FDP müssten ein Gesamtkonzept aufstellen, damit die Etats in einigen Jahren wieder ohne Schulden auskämen.

Die Institute rechnen damit, dass dem Staat allein im kommenden Jahr 127 Milliarden Euro fehlen werden, das wären 5,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Ursachen sind der Einbruch der Wirtschaft um fünf Prozent in diesem Jahr sowie die Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme. Bis 2016 muss das Defizit auf 0,35 Prozent sinken, so sieht es die neue Schuldenbremse im Grundgesetz vor.

Die Fachleute halten dieses Sparziel zwar für „extrem ehrgeizig“, aber „nicht unrealistisch“, wie sie schreiben. Die Regierung solle vorrangig die Ausgaben reduzieren. „Nicht ein bisschen hier und da“ dürfe dies geschehen, befand IfW-Experte Scheide. „Es muss ein Konzept her.“ Eine „laxe Finanzpolitik“, heißt es im Gutachten, könne „einen Anstieg des Zinsniveaus im Euroraum insgesamt bewirken und die Stabilität des Euro gefährden“. Steuersenkungen würden sich zudem nicht durch mehr Wachstum finanzieren. Die Alternative zu Ausgabenkürzungen, also höhere Steuern und Sozialabgaben, würden die Arbeitskosten erhöhen und die Nachfrage nach Arbeit dämpfen.

Die Institute machen Sparvorschläge. So sollen im großen Stil Subventionen wegfallen – dazu könne sich die Politik der Koch-Steinbrück-Liste von 2003 bedienen. Darauf hatten Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Noch-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Kürzungsvorschläge von 38 Milliarden Euro zusammengestellt. Einige Punkte der Liste, etwa die Streichung der Eigenheimzulage oder die Kürzung des Sparerfreibetrags, wurden umgesetzt, viele Posten stehen noch aus. Einer davon wäre die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Zusätzlich empfehlen die Forscher, dass der Staat beim Personal stärker spart, für mehr Effizienz in der Krankenversicherung sorgt und den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 2,7 auf 3,0 Prozent anhebt.

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