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Konjunktur: Klimawandel

Gute Daten, große Sorgen: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bessert sich. Aber der Aufschwung ist nicht stark genug, um neue Jobs zu schaffen.

Das Geschäftsklima in Deutschland bessert sich von Monat zu Monat. Gleichzeitig bleiben Zweifel, ob die Rezession nachhaltig überwunden ist. Insbesondere der drohende Anstieg der Arbeitslosigkeit nach dem Auslaufen der Konjunkturprogramme und die Folgen für den privaten Konsum verunsichern die Wirtschaft. Der Ifo-Geschäftsklimaindex kletterte im September den sechsten Monat in Folge – um 0,8 auf 91,3 Punkte. Analysten hatten mit einer etwas stärkeren Zunahme gerechnet.

„Gemessen an der katastrophalen Entwicklung der vergangenen zwölf Monate sind dies gute Nachrichten“, wertete das Ifo-Institut das Ergebnis der Umfrage unter 7000 Managern. Lage und Erwartungen hätten sich verbessert. Dabei schätze die überwiegende Zahl der befragten Unternehmen die Lage aber noch immer als „grottenschlecht“ ein, wie Ifo-Chef Hans-Werner Sinn sagte. „Nur bei den Erwartungen für die weitere Entwicklung in den nächsten sechs Monaten gibt es mittlerweile fast einen Gleichstand zwischen Pessimisten und Optimisten.“

Wieder etwas eingetrübt hat sich das Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe. In der Industrie sowie im Groß- und Einzelhandel blicken die Manager aber insgesamt zunehmend optimistisch in die Zukunft. Dies gilt auch für den zuletzt massiv eingebrochenen Export.

Nach Einschätzung von Andreas Rees, Volkswirt bei der Großbank Unicredit, findet damit ein „Paradigmenwechsel“ statt: „Die Exporte werden stärker, der Konsum schwächer.“ Dies sei eine Rückkehr zur Normalität – „so sieht ein typischer deutscher Aufschwung aus“, sagte der Experte. Gerade um die Jahreswende würden die Impulse von der Binnennachfrage nachlassen; die steigende Arbeitslosigkeit drücke dann auf den Konsum.

Hoffnungen, dass die Rezession am Arbeitsmarkt vorbeigehen könnte, werden sich demnach nicht erfüllen. Laut Ifo wollen im verarbeitenden Gewerbe wieder mehr Unternehmen ihre Mitarbeiterzahl reduzieren. Ein Umstand, der nach Ansicht von Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, in der Bevölkerung noch nicht wahrgenommen werde. „Die Tiefe der Zäsur haben die Menschen noch nicht vollzogen. Die Stimmung ist besser als die Lage“, sagte er dem Tagesspiegel (siehe Seite 19).

Weil viele Unternehmen mangels Aufträgen nicht ausgelastet sind, dürfte der Kostendruck steigen. Am schnellsten gespart werden kann beim Personal. Im Herbst rechnen Experten deshalb mit einer Zuspitzung auf dem Arbeitsmarkt. So sei die Zahl der Jobsucher schon im September nur um rund 80 000 auf knapp 3,39 Millionen gesunken, berichteten Volkswirte deutscher Großbanken und Konjunkturforscher am Donnerstag. Üblich in den vergangenen drei Jahren sei ein Rückgang um 140 000 gewesen. Die düstere Prognose: Im Frühjahr 2010 werde die Arbeitslosenzahl wieder über vier Millionen liegen. Die offiziellen Arbeitsmarktdaten will die Bundesagentur am kommenden Mittwoch bekannt geben.

Deutsche Bank Research spricht mit Blick auf die Konjunkturnachrichten von einem „trügerischen Aufschwung“. Die Zeichen für eine Besserung in der deutschen Industrie seien zwar unverkennbar. So sagen die Volkswirte der Bank für 2010 für das verarbeitende Gewerbe ein Wachstum von fünf Prozent voraus. Dennoch dürfe man die Dimension nicht überschätzen. Dieser starke Produktionsanstieg nehme nur etwas Last von den Schultern der besonders schmerzhaft betroffenen Unternehmen.

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