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Konjunktur: Neue Stützen für den Aufschwung

Wirtschaftsforscher fordern ein weiteres Konjunkturprogramm – und finden Steuersenkungen altmodisch.

Berlin - Aus Sorge um ein baldiges Nachlassen des Wachstums fordern gewerkschaftsnahe Wirtschaftsforscher ein erneutes Ausgabeprogramm. „Sonst ist das Risiko groß, dass die konjunkturelle Belebung in diesem Jahr eine Episode bleibt“, sagte Gustav Horn, Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), am Mittwoch in Berlin. Der Industrieverband BDI sieht die Konjunktur vor einer Durststrecke. Das schließt er aus dem Ergebnis einer Branchenumfrage. Der Export, die wichtigste Säule der deutschen Wirtschaft, werde erst 2014 wieder das Niveau erreichen, das er vor der Wirtschaftskrise hatte.

Für dieses Jahr rechnet das IMK zwar wieder mit einer um zwei Prozent stärkeren Wirtschaftsleistung. Dies sei aber vor allem eine Folge der Stützung durch Konjunkturprogramme und die lockere Geldpolitik. IMK-Chef Horn verglich die Wirtschaftslage mit einem Menschen, der einen Infarkt überstanden hat. „Business as usual ist da nicht angesagt, auch wenn man sich wieder besser fühlt.“ Das Geld, das der Bund in Steuersenkungen stecken wolle, „fehlt für Maßnahmen, die wirklich Wachstum bringen“. 

Hintergrund des Appells ist die Debatte um Steuersenkungen zwischen Union und Liberalen sowie das Strategietreffen der CSU in Kreuth, auf dem sie ihre Linie für 2010 festlegt. Im Koalitionsvertrag hatte die Regierung angekündigt, die Steuern bis 2013 um 24 Milliarden Euro zu senken. Dies soll die Konjunktur ankurbeln. Die Gewerkschaften fürchten aber, dass der Staat im Gegenzug Sozialleistungen und Steuervergünstigungen streichen wird, was zulasten ihrer Klientel ginge.

Die Steuersenkungspläne bezeichnete Horn als „völlig aus der Zeit gefallen“. Die Annahme, dass dies zu mehr Wachstum führe, sei längst widerlegt, unter anderem durch die Steuerreform der Schröder-Regierung ab 2000. Auch die Maßnahmen aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz würden die Wirtschaftsleistung nur um 0,2 Prozentpunkte erhöhen – bei Kosten von fünf Milliarden Euro.

Stattdessen plädierte Horn für ein neues Konjunkturprogramm, das den gleichen Umfang wie das aktuelle habe – das wären 48 Milliarden Euro. Das Geld solle in die Infrastruktur, in die Bildung und in neue Energien fließen. Komme dies nicht, „bin ich skeptisch, dass 2011 beim Wachstum eine Zwei vor dem Komma steht“. Auch nach Abklingen der Krise solle der Staat „auf absehbare Zeit“ das Ausgabenniveau hoch halten. Statt durch Schulden solle dies durch höhere Steuern finanziert werden. Infrage kämen die Vermögen- und die Erbschaftsteuer, ein höherer Spitzensatz bei der Einkommensteuer, eine neue Finanzmarktsteuer sowie eine Sonderabgabe auf Bankengewinne. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer lehnte er ab, dies sei „konjunkturschädlich“.

Beginne Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dagegen 2011 trotz schwacher Konjunktur mit dem Sparen, „käme er aus der Schuldenspirale nicht mehr heraus“ und würde scheitern, warnte Horn. Er sprach sich zudem gegen eine Lohnpause für die Arbeitnehmer in den anstehenden Tarifrunden aus. „Das wäre so, als würde man den Klimawandel durch den Ausstoß von mehr Kohlendioxid bekämpfen wollen“, sagte er mit Blick auf die Binnennachfrage.

BDI-Präsident Hans-Peter Keitel sieht derweil die Exportindustrie vor einer langen Durststrecke. „Der Aufholprozess wird noch lange dauern“, erklärte er. 2009 habe der Export der Industrie um fast ein Fünftel abgenommen. Vor der Krise habe das Volumen der Ausfuhren im Jahr um acht Prozent zugelegt. Für 2010 sei mit einem Plus von vier Prozent zu rechnen, sagte Keitel unter Berufung auf die Umfrage in der Branche weiter. Gefährlich seien mögliche neue Finanzblasen sowie weiterer Abschreibungsbedarf bei den Banken. Zudem liefen in einigen Ländern die Konjunkturprogramme aus.

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