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Wirtschaft: Konjunktur: Südländer fordern zügige Wirtschaftsreformen

Die Bundesregierung sieht erst für das kommende Jahr Zeichen einer Konjunkturerholung. Nach steigenden Exporten im Herbst werde die Binnennachfrage 2002 anziehen, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Freitag.

Die Bundesregierung sieht erst für das kommende Jahr Zeichen einer Konjunkturerholung. Nach steigenden Exporten im Herbst werde die Binnennachfrage 2002 anziehen, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Freitag. Die Wirtschaftsminister der beiden süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg haben die Bundesregierung indes zu schnellen Reformen aufgefordert, um die Wachstumskräfte in Deutschland zu stärken.

Die Wirtschaftsminister aus München und Stuttgart, Otto Wiesheu (CSU) und Walter Döring (FDP), verlangten in einem gemeinsamen Forderungskatalog erneut, die zweite und dritte Stufe der Steuerreform auf 2002 und 2003 vorzuziehen. Wiesheu wies die Bedenken von Finanzminister Hans Eichel (SPD) zurück, der das wegen der damit verbundenen kurzfristigen drastischen Erhöhung der Staatsverschuldung ablehnt. "Das Vorziehen der Reform kommt uns weniger teuer, als wenn wir es nicht machen", sagte Wiesheu. Gleichzeitig deutete er an, dass diese Ansicht auch in der rot-grünen Koalition an Unterstützung gewinne.

Wiesheu und Döring begrüßten ausdrücklich, dass Eichel bei der Fortschreibung der Unternehmenssteuerreform nun doch den Mittelstand etwas stärker entlasten will. Regierungskreise bestätigten dem Tagesspiegel, dass wegen der aktuellen konjunkturellen Schwächephase etwa 300 Millionen Mark an Steuererleichterungen geplant seien. Personengesellschaften sollen demnach ab 2002 Anteile an Kapitalgesellschaften verkaufen können, ohne Steuern auf die Erlöse zu zahlen. Sie müssen dafür aber innerhalb der kommenden zwei Jahre eine erneute Investition vornehmen, sonst wird der Betrag nachträglich voll besteuert.

Zu den weiteren Forderungen der Wirtschaftsminister gehören unter anderem: die Aussetzung der geplanten Ökosteuer-Erhöhungen 2002 und 2003, die Erhöhung der Investitionsquote im Bundeshaushalt 2002 auf mindestens 12,5 Prozent, die bessere steuerliche Förderung der Bauwirtschaft, mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, ergänzende staatliche Hilfen im Niedriglohnsektor und weniger Kündigungsschutz in Kleinbetrieben.

Wiesheu erinnerte daran, dass die rot-grüne Koalition die Lohnnebenkosten bis 2002 auf unter 40 Prozent drücken wollte. "Das ist heute kein Thema mehr". Bayerns und Baden-Württembergs Wirtschaftsminister forderten daher: "In der gesetzlichen Krankenversicherung muss dringend eine umfassende Strukturreform angegangen werden." Trotz der steigenden Arbeitslosigkeit wollen sie auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kürzen, um durch eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung die Wachstumskräfte zu stärken.

Döring und Wiesheu widersprachen den Behauptungen der Bundesregierung, die Konjunkturflaute sei in erster Linie auf die lahmende Weltwirtschaft zurückzuführen. "Die Bundesregierung unternimmt das durchsichtige Ablenkungsmanöver, die Verantwortung für die mit Abstand niedrigste Wachstumsdynamik in Europa der Abschwächung der Weltkonjunktur zuzuschreiben", erklärte Wiesheu. "Der Export ist nicht die Ursache für die Konjunkturschwäche, sondern die Binnennachfrage." Hier habe Rot-Grün die Wachstumskräfte "auf breiter Front" gebremst und behindert.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) forderte den Bundesfinanzminister auf, nicht mit Sparmaßnahmen auf konjunkturell bedingte Steuereinbußen und Mehrausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit zu reagieren. Ein Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform lehnte der Ministerpräsident als "wirtschaftspolitisch unangemessenen Aktionismus" ab.

Bundeskanzler Gerhard Schröder verwies am Freitag in einem Interview des ZDF auf die schlechte Konjunktur in den USA und in Japan, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland belaste. Dass das selbst gesetzte Arbeitslosenziel der Regierung für 2002 wohl verfehlt wird, nannte Schröder eine "bittere Wahrheit". Dennoch zeigte sich der Kanzler optimistisch: "Wir müssen wegen der Konjunkturdelle, die ja nicht in eine Rezession münden wird, ein bisschen länger auf das Erreichen des Ziels warten." Es gebe keinen Anlass zu hektischer Politik, sagte Schröder. Den Forderungen nach Konjunkturimpulsen der Regierung erteilte der Kanzler eine Absage. "Wer mehr fordert, muss sagen, wie er es bezahlt. Entweder durch Steuererhöhungen, die will ich nicht, oder durch Schulden, was verhängnisvoll wäre."

ca

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