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Maschinenbau

© dpa

Konjunktur: Wachstum in Zeitlupe

Die deutsche Wirtschaft legt im Frühjahr langsamer zu als erwartet, doch Großhandel und Industrie bleiben zuversichtlich.

Berlin - Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2007 nur um 0,3 Prozent gewachsen, so schwach wie seit anderthalb Jahren nicht mehr. Das teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit. Experten hatten ein Wachstum von 0,4 Prozent prognostiziert. Sinkende Bauinvestitionen im Frühjahr seien verantwortlich für den Rückgang. Getragen würde der Aufschwung vom starken Export. Die ungewöhnliche milde Witterung habe bereits im Winter für ein kräftiges Plus gesorgt, so dass das schwache Wachstum im zweiten Quartal ein „erwarteter Rückpralleffekt“ sei, schreiben die Analysten der BayernLB. Außerdem hätten viele Bauherren wegen der Mehrwertsteuer ihre Bauvorhaben ins vergangene Jahr vorgezogen. „Die relativ geringe Wachstumsrate im zweiten Quartal darf nicht überbewertet werden, weil sie die Dynamik der Wirtschaft unterzeichnet“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte in Berlin ebenfalls: „Die Zahl hat mich nicht überrascht.“ Das erste Quartal sei sehr stark gewesen. Hier habe sich der warme Winter und die dadurch ungewöhnlich gute Lage beim Bau positiv ausgewirkt. Da sei es zu erwarten gewesen, dass sich die Wachstumsrate im zweiten Quartal etwas abschwäche. Außerdem habe es einen Knick durch die Mehrwertsteuererhöhung gegeben, mittlerweile gehe es aber wieder aufwärts. Thumann betonte, er sehe keinen Grund die Wachstumsprognose für das Gesamtjahr zu korrigieren. „Ich gehe weiterhin von bis zu 2,8 Prozent in diesem Jahr aus. Die Wirtschaft entwickelt sich erfreulich“, sagte der BDI-Präsident. Er forderte allerdings die Bundesregierung auf, die Lohnnebenkosten zu senken (siehe Text unten), um so die Binnennachfrage anzukurbeln.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kommentierte die jüngsten Zahlen gelassen, die wirtschaftliche Dynamik sei intakt. „Wir erwarten zum jetzigen Zeitpunkt von der US-Hypothekenkrise keine negativen Einflüsse auf das sehr robuste reale Wirtschaftswachstum in Deutschland“, sagte Glos.

Auch beim Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) misst man den Entwicklungen auf den Finanzmärkten keine große Bedeutung zu. „Das ist keine Bankenkrise, sondern nur ein Liquiditätsengpass“, sagte BGA-Präsident Anton Börner. Bedenklicher sei, dass die deutsche Exportwirtschaft boome, während die Binnennachfrage nicht anspringe. Die Großhändler bewerten daher die aktuelle Geschäftslage schlechter als vor einem halben Jahr. Der vom BGA halbjährlich ermittelte Großhandelsindikator sackte um 14 Prozent von 132 auf rund 119 Punkte. „Trotz dieser Ergebnisse sehen wir keinen Anlass für wirtschaftlichen Pessimismus. Der Indikator liegt trotz des Rückgangs immer noch über den Werten von 2005“, sagte Börner. Die Großhändler gehen davon aus, dass 2007 die Umsätze um 2,5 Prozent auf 778 Milliarden Euro ansteigen werden. Allerdings müsse man noch deutlich zulegen, um das Ziel zu erreichen. „Damit werden dann bis zu 10 000 zusätzliche neue Jobs entstehen können“, sagte Börner. Der BGA-Präsident forderte die Politik auf, den Solidarzuschlag um jährlich einen Prozentpunkt zu senken. Derzeit beträgt der Zuschlag 5,5 Prozent von der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Absenkung sei finanzpolitisch vertretbar und stelle die Solidarität der Menschen in den neuen Bundesländern keineswegs infrage, sagte Börner.

Beim DGB hieß es auf Anfrage, „der Aufschwung hat seine besten Tage hinter sich“. Die meisten neuen Jobs seien befristet, oder es handele sich um Zeitarbeit. „Solche unsicheren Arbeitsplätze bremsen den Konsum“, sagte DGB-Ökonom Dierk Hirschel. „Und noch wissen wir nicht, wie sich die Finanzkrise auf die Investitionen auswirkt.“

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