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Stillstand oder Wachstum - im europäischen Umfeld sind auch die konjunkturellen Aussichten in Deutschland nicht rosig.

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Konjunkturberichte: Halbstark unter Schwachen

Die Wirtschaftsweisen halten nichts von Wahlgeschenken. In Europa ist die deutsche Wirtschaft zwar Spitze - Raum für Reformen sehen die Sachverständigen aber an vielen Stellen.

Berlin - Auf den ersten Blick gibt es wenig Anlass zu meckern. Sowohl für das laufende als auch für das kommende Jahr erwartet der Sachverständigenrat der Bundesregierung, dass die deutsche Wirtschaft um 0,8 Prozent wächst. Das ist verglichen mit den vorangegangenen Jahren zwar nicht besonders viel. Doch zum einen ist der Nachholeffekt in Folge der Finanzkrise ausgeschöpft. Zum anderen stehen die Zeichen in vielen der 17 Euro-Länder weiterhin auf Rezession. Krisenstaaten wie Spanien oder Griechenland stehen nach jüngsten Prognosen der EU-Kommission vor einem deutlich härteren Jahr als erwartet. Erst 2014 werde sich der harte Sparkurs der Schuldenländer sichtbar auszahlen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Deutschland bleibe die Lokomotive.

Zufrieden zeigten sich die fünf Mitglieder des Sachverständigenrates, die sogenannten Wirtschaftsweisen, bei der Vorlage ihres Jahresberichts am Mittwoch in Berlin aber keineswegs. Das 450 Seiten starke Gutachten, das die Wirtschaftswissenschaftler um ihren Vorsitzenden Wolfgang Franz Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) überreichten, mahnt politische Reformen im Inland und auf europäischer Ebene an. Franz, Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), sieht innenpolitischen Handlungsbedarf, „beispielsweise in der Energiepolitik, im Gesundheitssystem und im Steuersystem“.

Besonders ablehnend reagierten die Volkswirte auf die in der Nacht zu Montag getroffenen Koalitionsbeschlüsse, die zum Teil noch im kommenden Wahljahr umgesetzt sein sollen. „In die falsche Richtung gehen strukturelle Mehrausgaben, wie etwa das Betreuungsgeld, die Zuschussrente oder die Abschaffung der Praxisgebühr“, heißt es in dem Bericht.

Für sinnvoller als den Wegfall der quartalsweise zu entrichtenden Praxisgebühr halten die Experten etwa eine „spürbare Beitragssatzsenkung“ in der gesetzlichen Krankenversicherung und einen einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbetrag. Ein Absinken des Rentenbeitrags, wie bereits vom Bundestag zum 1. Januar 2013 gebilligt, finden die Sachverständigen grundsätzlich in Ordnung. Kritisch sei es aber, bereits umgesetzte Reformen wie die Rente mit 67 durch „Leistungsausweitungen“ wie zum Beispiel eine Zuschussrente zu verwässern.

Beim Versuch, die Euro-Zone zu stabilisieren, komme die Politik durchaus voran, urteilen die Regierungsberater. Um solide Staatsfinanzen zu erreichen, müsse aber die Architektur der Währungsunion stabiler werden. Den Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen starken EU-Währungskommissar mit weitreichenden Kompetenzen lehnen sie als illusorisch ab.

Kanzlerin Merkel wehrte sich gegen die Kritik. Dabei verwies sie auf den Spagat zwischen nationalen Interessen und internationalem Anspruch. Einerseits wolle das Deutschland die Schuldenbremse schon 2013 einhalten, andererseits sehe man sich dem Vorwurf ausgesetzt, der Weltwirtschaft damit Wachstumsimpulse zu entziehen. „In diesem Spannungsverhältnis versuchen wir immer, den Weg zu finden“, verteidigte sich die Regierungschefin.

Merkel erteilte einer europäischen Schulden- und Haftungsunion erneut eine Absage. Auch die Bundesregierung wolle keine Zentralisierung der wirtschaftspolitischen Steuerung. In der Euro-Zone steht Deutschland bei der Konjunkturentwicklung noch recht gut da. Im laufenden Jahr wird die Wirtschaft im Währungsraum laut Prognose der EU-Kommission um 0,4 Prozent schrumpfen, für das kommende Jahr nimmt Brüssel eine Quasi-Stagnation von plus 0,1 Prozent an. Besserung ist demnach erst 2014 zu erwarten.

Frankreichs Präsident, der Sozialist Francois Hollande, bekommt nach Einschätzung der Kommission den öffentlichen Haushalt nicht in den Griff. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone werde das Defizitziel von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts noch mindestens zwei weitere Jahre verfehlen. mit dpa

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