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Wer gibt hier den Ton an? Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffneten die Hannover Messe. Foto: dpa

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Wirtschaft: Konkurrent im Blick

Unternehmen aus der Volksrepublik werden immer häufiger zu Wettbewerbern. Das macht manchen Angst.

Am Anfang deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen stehen Visitenkarten. Viele Visitenkarten. Am Montagmorgen wechseln sie auf dem überfüllten Gelände der Hannover Messe zahlreich von Hand zu Hand. China ist dieses Jahr Partnerland der Industrieschau, fast 500 Aussteller aus der Volksrepublik sind vertreten. Während man in den Hallen landestypisch-feierlich Adressen austauscht, loben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao auf dem deutsch-chinesischen Wirtschaftsforum die engen Beziehungen beider Länder. Fünf Mal war die Kanzlerin in ihrer Amtszeit schon zu Besuch in China, sechs Mal war Wen in Deutschland. Das Land sei als Partnerland wirklich „außerordentlich geeignet für die weltgrößte Industriemesse“, sagt Merkel, denn in Hannover sei das „Kernstück der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen“ zu sehen: Maschinen, Hochtechnologie, Industriekompetenz.

Mehr als 5000 deutsche Unternehmen sind in China schon aktiv. Und im Saal des Wirtschaftsforums zeigt sich, dass viele Teilnehmer die Visitenkarten-Zeit lange hinter sich haben. Man kennt sich, man freut sich über ein Wiedersehen – und an guten Geschäften. „Aus dem anfänglichen Warenfluss ist ein breiter Handelsstrom geworden“, sagt Merkel. In den vergangenen zehn Jahren sei das Volumen der zwischen Deutschland und China gehandelten Waren um 400 Prozent gestiegen, auf zuletzt 144 Milliarden Euro. Als geübter Wirtschaftsplaner wirft Wen Jiabao bereits den Blick in die Zukunft: „Wir wollen im Jahr 2015 ein Volumen von 280 Milliarden Dollar (221 Milliarden Euro) erreichen“, sagt der Ministerpräsident, und der zwölfte Fünf-Jahres-Plan der chinesischen Zentralregierung macht deutlich, dass diese Zahlen mit aller Macht Realität werden sollen. Dabei setzt Peking vor allem auf technologische Innovationen in praktisch allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen: Industrieproduktion, Mobilität, Energieversorgung, Gebäudesanierung, Chemie, Rohstoffe.

Und weil zu jeder guten deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehung ein Verweis auf Goethe gehört, erinnert Wen an seinen Besuch des Goethe-Hauses in Frankfurt am Main und das Gedicht „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten“. Ein „neues Kapitel“ im Wirtschaftsaustausch gelte es nun aufzuschlagen, sagt Wen, und er versichert, dass die Regierung in Peking das geistige Eigentum ausländischer Firmen schützen wolle, den Marktzugang – auch zu Rohstoffen – erweitern und beim Technologietransfer das Prinzip der Freiwilligkeit wahren. Womit einige Reizthemen im nicht spannungsfreien Miteinander deutscher und chinesischer Unternehmen angesprochen wären. Es ist das wachsende Selbstbewusstsein der chinesischen Firmen, das manchen Deutschen Furcht einflößt.

Oder auch ihre schiere Größe. „Sind Sie Monopolist, oder so?“, fragt Jürgen Heraeus, China-Sprecher des Asien-Pazifik-Ausschusses, scherzhaft Shuai Junqing, Vizepräsident der staatlichen chinesischen State Grid Corporation. Das Unternehmen versorgt 88 Prozent der Fläche Chinas mit Stromnetzen und will allein in den Jahren 2011 bis 2015 insgesamt 250 Milliarden Dollar in den Netzausbau investieren. Ein Projekt, bei dem auch deutsches Know-how gefragt ist – vom Siemens-Konzern bis zum schwäbischen Technologielieferanten.

Doch der Transfer findet nicht mehr auf einer Einbahnstraße Richtung Osten statt. „China ist schon lange nicht mehr die verlängerte Werkbank der Welt“, sagt Siemens-Chef Peter Löscher. Das Land habe den Sprung geschafft, von „Made in China“ zu „Invented in China – Erfunden in China“. Der Partner ist häufig zum Wettbewerber geworden. „Deutschland muss sich sputen“, warnt auch die Kanzlerin und denkt dabei etwa an die Stromnetze in China, die Energie aus dem rohstoffreichen Westen und Norden des Landes in den Osten transportieren müssen. Die Hochleistungsnetze seien oft „besser in Schuss als die Diskussion in Deutschland“, sagt Merkel. Und das, obwohl der Pro-Kopf-Stromverbrauch in China erst bei der Hälfte des deutschen liegt.

China, schwärmt Martin Brudermüller, stellvertretender BASF-Chef, biete „unendlich viele Möglichkeiten für deutsche Unternehmen“. Der weltgrößte Chemiekonzern hat dort 8000 Mitarbeiter in 28 Niederlassungen. Für ein Engagement in China sei es noch nicht zu spät, so Brudermüller. „Es gibt ein riesengroßes Potenzial, das wir noch nicht berührt haben.“ Einen – gemessen an chinesischen Verhältnissen – kleinen und dennoch kaum zu bewältigenden Überblick bietet bis Freitag die Hannover Messe.

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