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Wirtschaft: Konzentration auf die nackten Zahlen

Die Kriegsangst ist vorbei – im April legt der Dax um 21 Prozent zu/Finanztitel am stärksten gefragt

Für Anleger mit Mut und gutem Riecher kam der Wonnemonat diesmal früher: Kursgewinne bis zu 73 Prozent waren bei deutschen Blue-Chips im April möglich. Vor allem die zuvor bestgehassten Unternehmen der Finanzbranche waren gefragt wie lange nicht mehr. Eine nahezu 75-prozentige Erhöhung ihres Börsenwerts hat die Hypo-Vereinsbank geschafft, die in den ersten drei Monaten dieses Jahres wegen desaströser Zahlen ebenso viel schon verloren hatte. Da die Klettertour nach oben leider faktisch wie mathematisch ungleich schwieriger ist als das Rennen ins Tal, bleibt die Hypo mit einem Minus von 26 Prozent jedoch weiter einer der drei bisherigen Jahresverlierer. Allianz und Münchener Rück gehören ebenfalls zum Trio der Kapitalvernichter in der 2003er-Bilanz. Auch hier setzte sich im April die Ansicht durch, dass die Verkäufe wohl übertrieben waren. Zugelegt hat vor allem der weltgrößte Rückversicherer mit einem Monatsplus von 60 Prozent. Die Allianz schaffte „nur“ 32 Prozent.

Nachdem zur Monatsmitte endgültig diffuse Kriegsängste und blinde Panikverkäufe ausgestanden waren und sich die Anleger wieder auf nackte Zahlen konzentrieren konnten, lieferten beide Unternehmen offenbar überzeugende Kaufargumente. Zwar konnte die Münchener Rück wegen der langen Börsenbaisse und der damit verbundenen hohen Abschreibungen einen Verlust für das erste Quartal 2003 nicht ausschließen. Das operative Geschäft in der Branche laufe jedoch wie am Schnürchen, hieß es bei der Bilanzvorlage.

Bei der Allianz landeten von Januar bis März neun Prozent mehr Beitragseinnahmen von Lebensversicherten. Zudem wirkte bei beiden Versicherern den Charme des Neuen: Bei der Allianz übergab Henning Schulte-Noelle das Ruder an Michael Dieckmann, bei der Münchener Rück kündigte Vorstandschef Hans-Jürgen Schinzler überraschend seinen Rückzug zum Jahresende an.

Übertroffen haben den Dax, der im April exakt 519 Punkte oder 21 Prozent vorangeschritten ist, insgesamt zehn von 30 Papieren. MLP und Tui, zuvor ebenfalls hart zurechtgestutzt, sind nun 52 Prozent mehr wert, die Commerzbank 41 und Bayer 31. Der Reisekonzern Tui profitierte vom Ende des Irak-Krieges und von harten Sparmaßnahmen im Konzern, während der Finanzdienstleister MLP die jüngste Krise „überstanden“ sah und wieder steigende Zahlen an Neukunden registriert. Zu den Käufern, so war auf dem Parkett zu hören, haben wohl auch zahlreiche Shortseller gehört, die angesichts des Stimmungswechsels die geliehenen und leerverkauften Aktien schnell zurückkaufen mussten, um höhere Verluste zu verhindern. Und der Bayer-Konzern erwartet trotz einer erwarteten Prozessflut wegen des Medikaments Lipobay für dieses Jahr neue Gewinnrekorde.

Die Klettertour im Dax, begonnen im März bei einem Tiefststand von knapp 2190 Punkten, hatte erst bei Überschreiten der Dreitausender-Schwelle ein Ende. Zwei Mal erhaschte der Index im Monatsverlauf einenkurzen Blick über die wichtige Marke, dann setzten Gewinnmitnahmen ein. Als Verkaufsargumente hielten auch einige weniger erfreuliche Zahlen her: Am meisten irritiert hat die Anleger die Entwicklung des US-Bruttoinlandsprodukts, das im letzten Quartal mit einem Plus von 1,6 Prozent geringer als erwartet (2,3 Prozent) ausgefallen war.

Der Chiphersteller Infineon schockte mit einem sehr hohen Quartalsverlust, und die Deutsche Bank konterkarierte die guten Quartalsergebnisse der US-Konkurrenz mit der Nachricht, man habe im ersten Quartal einen 200-Millionen-Verlust erwirtschaftet. Der Markt nahm dem Branchenprimus die Gewinnwarnung ebenso übel wie Daimler-Chrysler das Eingeständnis, Chrysler schaffe die hoch gesteckten Ziele in den USA wohl doch nicht ganz. Der skeptische Ausblick drückte auch die anderen Dax-Autos: BMW schafften im April knapp 15, Daimler-Chrysler neun und VW 7,7 Prozent – deutlich weniger als der Index selbst.

Pechvögel des Monats sind all jene Anleger, die auf Altana, Adidas-Salomon und Fresenius Medical Care gesetzt haben. Alle drei Papiere gaben nach, wobei nur Adidas einen Vorwand lieferte: Der Sportartikler steigerte seinen Umsatz im ersten Quartal um zwei, den Gewinn sogar um 19 Prozent. Den Analysten war dies jedoch nicht genug.

Eine Übersicht aller 30 Dax-Werte finden Sie auf Seite 20.

Veronika Csizi

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