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Die Deutsche Bahn schickt Mitarbeiter zu Gründern.

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Konzerne lernen von Gründern: Die Bahn schickt Mitarbeiter zu Start-ups

Die Bahn schickt Führungskräfte zu Start-ups. Während eines Pilotprojekts sollen sie lernen, schneller Entscheidungen zu treffen und kreativer zu werden.

Der Schreibtisch umringt von grünen Umzugskisten, auf dem Boden eine Kaffeemaschine, die Tischtennisplatte auf dem Gang: Eine Woche lang sah so Katharina Rothes Arbeitsplatz aus. Dabei ist die 30-Jährige eigentlich interne Beraterin bei der Deutschen Bahn, unterwegs in der aufgeräumten Geschäftswelt des Konzerns – Hierarchien und lange Entscheidungswege inklusive. Für fünf Tage tauschte sie jetzt das Business Outfit gegen Alltagskleidung und wurde Mitarbeiterin bei einem Berliner Start-up. Rothe ist Teil eines Pilotprojekts bei der Deutschen Bahn, das intern den Namen „Start-up Safari“ trägt: Manager und künftige Führungskräfte werden zum Austausch in junge Firmen geschickt. Dort sollen sie lernen, unternehmerischer zu handeln. „Wir wollen Innovationen innerhalb des Konzerns vorantreiben“, sagt Matthias Patz, Innovationsmanager bei DB Systel, dem IT-Dienstleister der Bahn. Patz hat sich das Konzept ausgedacht.

Die Mitarbeiter sollen kreativer werden

Der Safari-Gedanke passt zur internen Entwicklung des Konzerns, wo man derzeit viel Wert auf Innovationen legt. Mitarbeiter werden in Kreativmethoden weitergebildet, und kürzlich reiste eine Delegation aus Bahn-Führungskräften ins Silicon Valley. Unter deutschen Managern scheint das derzeit ein Trend zu sein.

Der Grund: Die Strukturen in Großunternehmen sind naturgemäß starr – für Innovationen sind die langen Entscheidungswege Gift. In Start-ups sieht das dagegen anders aus, das Stichwort „lean management“ ist in aller Munde. Auch Patz sagt: „Konsequenzen von Entscheidungen kommen in einem so großen Konzern nicht ganz so schnell zurück wie in kleineren Unternehmen, wo Dinge anders angepackt und Sachen sofort getan werden.“

14 Bahn-Angestellte sind zu Gast bei Gründern

Bei der Bahn hat man nun also die Hoffnung, dass der Funke überspringt. Für das Safari-Projekt wurden zunächst 14 Mitarbeiter in mutmaßlich passende Start-ups geschickt. Im Fall von Katharina Rothe saß ihr Austausch-Unternehmen im fünften Stock eines FU-Gebäudes im Berliner Ortsteil Lankwitz. „Store-Anything“ nennt sich das Start-up – die jungen Gründer wollen einen Lagerservice bieten, bei dem die Kunden die Kisten nicht selbst wegbringen müssen. Stattdessen bekommen sie die Kisten geliefert, können einen Zeitpunkt für deren Abholung bestimmen – und auch, wann sie sie wieder haben wollen.

„Wir haben bereits erste Kunden, aber noch nicht viele – es dreht sich also jetzt alles um die Kundenakquise“, erklärt Jörg Schwarzrock, einer der beiden Gründer. Zielgruppenspezifisches Marketing heißt das Zauberwort – und damit kennt sich wiederum Austausch-Mitarbeiterin Rothe aus. Im Besprechungsraum von Store-Anything hängen bereits jede Menge Mindmaps, gespickt mit Klebezetteln in Gelb und Orange. Dort haben sich Gründer Schwarzrock und sein Kollege Anton Marintsev gemeinsam mit Rothe Gedanken zu den einzelnen Zielgruppen gemacht. Junge Familien, die die Babykleidung fürs nächste Kind erst einmal einlagern wollen. Modefanatikerinnen, die ihre ganzen Prachtstücke gar nicht alle zu Hause lagern können. Oder Geschäftsreisende, die selten zu Hause sind und mit wenig Wohnfläche auskommen wollen.

An Rothes letztem Tag im Unternehmen steht noch einmal eine Runde Brainstorming an. „Eine Zielgruppe ist noch offen: Erben nach der Haushaltsauflösung ihres Angehörigen. Wie gehabt: Fünf Minuten Zeit“, sagt Rothe. Kurz ist nur Stiftgekritzel zu hören. „Sie haben keinen Platz für die ganzen Sachen“, sagt Marintsev und pappt einen Zettel an die Mindmap. „Sie fühlen Trauer, wollen aber nicht ständig durch die Gegenstände erinnert werden“, ergänzt Schwarzrock. Der nächste Zettel klebt an der Wand. Bald füllt sich die weiße Fläche.

„Ich finde es spannend, die Entwicklung eines Geschäftsmodells mitzuerleben. Und tatsächlich sind die Entscheidungswege hier andere als bei der Bahn“, sagt Rothe. Marintsev und Schwarzrock könnten ad hoc Probleme angehen, würden momentan sogar noch selbst die Kisten ausliefern und so das Kundenfeedback direkt erleben. „Es ist schön dieses Herzblut zu sehen. Einiges kann ich sicher auch in den Konzern hineintragen“, meint Katharina Rothe.

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