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Wirtschaft: Konzerne stellen Altersvorsorge um

Höhe der Betriebsrente soll sich künftig an Beiträgen orientieren – Risiko für Arbeitnehmer steigt

München (nad). Die Mitarbeiter von deutschen Großunternehmen müssen sich auf eine Umstellung der Systeme zur betrieblichen Altersversorgung gefasst machen. Immer mehr Konzerne gehen dazu über, das Modell der reinen Leistungszusagen durch ein Modell beitragsorientierter Leistungszusagen zu ersetzen. Jüngstes Beispiel: Der Münchener Elektronikkonzern Siemens.

„Beitragsorientierte Leistungszusagen sind stark im Kommen“, sagt Uwe Neujahr, Geschäftsleiter Kommunikation bei der Unternehmensberatung Dr. Dr. Heissmann, die Unternehmen bezüglich Versorgung und Vergütung berät. Auch der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba), Klaus Stiefermann, hält beitragsorientierte Zusagen für einen Trend. „Wenn Konzerne wie Siemens sich für ein solches Modell entscheiden, wird das auch Signalwirkung auf andere Unternehmen haben“, sagte er dem Tagesspiegel.

In Zeiten steigender Lebenserwartung und unsicherer Zinsentwicklung ist die beitragsorientierte Altersvorsorge für die Unternehmen günstiger. Bei dem Modell muss der Arbeitgeber seinen Angestellten bei Berufsantritt keine von vornherein festgelegte lebenslange Rente mehr garantieren, sondern schreibt ihnen pro geleistetem Dienstjahr Jahresbeiträge gut, die sich an der jeweiligen Gehaltsstufe orientieren. Nach ihrem Eintritt in den Ruhestand bekommen die Mitarbeiter das über die Jahre angesparte Kapital inklusive Verzinsung entweder auf einmal, in Raten oder als lebenslange Rente ausbezahlt.

Der Vorteil bei der Rentenzahlung: Das Unternehmen rechnet den Betrag, der dem Mitarbeiter zusteht, erst mit dessen Eintritt ins Rentenalter aus. Dann ist die demographische Entwicklung und damit die voraussichtlich zu zahlende Leistung an den Arbeitnehmer überschaubarer als bei einer Leistungszusage, die schon Jahre zuvor getroffen wurde. „Angesicht der Tatsache, dass sich die Lebenserwartung eines Neugeborenen pro Jahr um zwei bis drei Monate erhöht, macht das einen enormen Unterschied“, sagt Erich Götz, Fachbereichsleiter für die betriebliche Altersvorsorge bei der Allianz.

Zudem können die Unternehmen die Zinsen bei dem beitragsorientierten Modell variabler angleichen als bei dem reinen Leistungszusage-Modell, bei dem in der Regel mit einem gleichbleibenden Zinssatz kalkuliert wurde. „Das Risiko für den Arbeitgeber wird mit dem beitragsorientierten Modell berechenbarer“, sagt Aba-Geschäftsführer Stiefermann.

Die Mitarbeiter dagegen tragen beim beitragsorientierten System höhere Risiken, weil die Höhe ihrer Rente später berechnet wird. Ein Siemens-Sprecher betont aber die Vorteile: „Die Beiträge sind künftig stärker von der Performance des Mitarbeiters abhängig und damit von ihm beeinflussbar.“

Siemens hat mit der Umstellung seines Altersvorsorge-Systems vor allem auf die demographische Entwicklung reagiert: Kam vor dreißig Jahren auf 4,5 aktive Mitarbeiter noch ein Ruhegehaltsempfänger, hat sich das Verhältnis heute auf 1,2 zu 1 verschlechtert. Das Modell reiner Leistungszusagen brachte Siemens in der Vergangenheit schwer ins Schleudern: Im vergangenen Jahr musste der Konzern seinem inländischen Pensionsfonds 2,1 Milliarden Euro zuschießen. Die Unterdeckung des Fonds liegt jedoch immer noch bei mehr als drei Milliarden Euro.

Ab Oktober nächsten Jahres greift für 100 000 Siemens-Mitarbeiter daher das neue System: Künftig legt der Konzern bestimmte Jahresbeiträge für jeden Mitarbeiter auf einem Versorgungskonto an. Daraus wird ein individueller Kapitalstock gebildet und verzinst, der nach Erreichen des Rentenalters in Raten ausbezahlt wird. Garantiert wird künftig nur eine Verzinsung, die dem Garantiezins der Lebensversicherer entspricht.

Neben Siemens und Thyssen-Krupp haben auch Bosch und die Deutsche Telekom ihr Vorsorgesystem umgestellt. Auch bei der Allianz gilt das beitragsorientierte System schon für 85 Prozent aller Mitarbeiter.

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