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Konsumklima am Tiefpunkt: Die Regierung hat es mit einem Volk zu tun, das Sorgen und Zukunftsängste derzeit noch mehr bedrücken als auf dem Höhepunkt der Pandemie.

© Andreas Arnold/dpa

Update

Konzertierte Aktion für Anti-Krisenpolitik: Der Staat muss sich ehrlich machen

Der Kanzler diskutiert mit Arbeitgebern und Gewerkschaften über die Inflation. Damit wird ein typisch deutsches Politikmuster wiederbelebt. Ein Kommentar.

Als 1967 der erste Abschwung das Wirtschaftswunderland schockierte, hatte der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Karl Schiller eine Idee: Er wollte die Anti-Krisenpolitik in einer Konzertierten Aktion mit Arbeitgebern und Gewerkschaften abstimmen. Es war die Geburtsstunde des inzwischen typisch deutschen Politikmodells.

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Das Neue an Schillers Ansatz: Der Staat traute sich zu, mit diversen Maßnahmen Einfluss zu nehmen auf die Wirtschaft. Und das Bemühen um Konsens sollte zur Festigung von Demokratie und Gemeinsinn beitragen. Damals wie heute.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat für diesen Montag eingeladen, um mit den Sozialpartnern zu diskutieren, „wie wir mit der aktuellen Preisentwicklung umgehen“. Die bisherigen Entlastungspakete haben nicht ausgereicht, um die Schwachen vor den Auswirkungen der Inflation zu schützen. Wohlstand für alle oder möglichst viele gibt es indes nur, wenn auch die Verteilungsfrage auf den Tisch kommt.

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Deshalb sind Arbeitgeber und Gewerkschafter Partner der Politiker bei der Problemlösung. Wie in den 1970er Jahren: Korporatistische Systeme, in denen Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften zum Wohl des Ganzen kooperieren, haben die damaligen Ölpreisschocks besser verkraftet als andere Volkswirtschaften. So viel zu Theorie und Empirie. Und was ist möglich im Sommer 2022?

Die Entlastungspakete reichen nicht

Die entscheidenden Treffen der neuen Konzertierten Aktion finden nach der Sommerpause statt. Dann wird deutlicher werden, wie viel Gas im Winter fehlt. An diesem Montag geht es um ein gemeinsames Verständnis der Lage, woraus sich dann Handlungsempfehlungen ableiten lassen.

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi führt die Gruppe der Gewerkschafter an, die am Montag im Kanzleramt dabei ist.
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi führt die Gruppe der Gewerkschafter an, die am Montag im Kanzleramt dabei ist.

© Fabian Sommer/dpa

Halten sich die Gewerkschaften mit Tarifforderungen zurück oder verstärken sie den Trend in Richtung Rezession? Bekennen sich die Arbeitgeber zum Standort Deutschland und zu den Arbeitsplätzen? Welche Prioritäten setzt die Politik?

Alle stehen unter Druck: Die Arbeitgeber haben die Interessen der Unternehmen zu vertreten, die unter Lieferengpässen und Energiepreisen ächzen. Die Mitglieder der Gewerkschaften erwarten einen Ausgleich der Inflationsrate durch üppige Tariferhöhungen.

"Die fetten Jahre sind vorbei", sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.
"Die fetten Jahre sind vorbei", sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.

© dpa

Und die Regierung hat es mit einem Volk zu tun, das Sorgen und Zukunftsängste derzeit noch mehr bedrücken als auf dem Höhepunkt der Pandemie. Ist die Gesellschaft in der Lage, die Belastungen aufzufangen und gerecht zu kompensieren? Das ist das Ziel der Konzertierten Aktion.

Priorität haben direkte Hilfen für Schwache. Und ein Verständnis davon, was den Zusammenhalt fördert. Tankrabatte und Steuersenkungen, wie sich das der Finanzminister vorstellt, gehören nicht dazu, weil sie höhere Einkommen überproportional entlasten.

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Das größte Problem wird in den kommenden Monaten der Gaspreis sein, also sollte hier angesetzt werden. Auch eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel wäre hilfreich. Gerne auch die Wiedereinführung der Coronaprämie – womit aber den Sozialkassen Geld entgeht.

Nach mehreren Coronawellen und einem Krieg ist der Staat blank. Und muss sich ehrlich machen. Der Tritt auf die Schuldenbremse und gleichzeitig der Verzicht auf Steuererhöhungen (zulasten der Starken) bei steigenden öffentlichen Investitionen in Dekarbonisierung und Digitalisierung (wie die Arbeitgeber fordern) und Inflationshilfen für die Schwachen – das passt alles nicht zusammen.

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