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Wirtschaft: Kostenlos probieren und zurückgeben

Versandhändler müssen Retourkosten tragen

Frank Haller bekommt ein großes Paket nach Hause geliefert. Der Inhalt: Ein Jogginganzug, Adidas-Schuhe und fünf T-Shirts. Alles beim Quelle-Versand bestellt. Doch so schön wie im Katalog findet er die Sachen plötzlich nicht mehr. Also schickt er die Ware wieder zurück – bezahlen muss er dafür nicht, die Kosten übernimmt der Versand-Händler.

„Sechs von zehn Kunden in Deutschland schicken mindestens einmal jährlich einen bestellten Artikel zurück“, beklagt eine Sprecherin des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (BVH). In den vergangenen fünf Jahren sei die Zahl der Retouren um 25 Prozent angestiegen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger lag die Rücksendequote im Jahr 2002 bei 30 Prozent der bestellten Waren. Nachdem die EU im Jahr 2002 eine Richtlinie zum Versandhandel ausgegeben hatte und darin von den EU-Mitgliedern verlangte, auf Neuerungen wie den Internethandel einzugehen, änderte der deutsche Gesetzgeber die Regeln: Bei einer Rücksendung muss der Versandhändler seitdem grundsätzlich die Kosten tragen, für den Käufer blieb sie kostenfrei.

Die BVH–Sprecherin betont, kein Versandhändler wolle am Prinzip der grundsätzlich kostenlosen Retouren rütteln. Dennoch streben Verband und Versandhändler eine Gesetzesänderung an, um Missbrauch in Zukunft verhindern zu können. Denn die jetzige Gesetzeslage erlaubt mitunter bizarre Handlungen. Rechtsanwalt Rolf Becker, Versandhandelsexperte aus Köln, sagt, es sei keine Seltenheit, dass „Jugendliche sich eine neue Grafikkarte für den PC bestellen, um sie nach zwei Wochen intensiver Nutzung wieder zurückzusenden“ – kostenfrei versteht sich. Manche bestellten sich komplette Wohnungseinrichtungen aus dem Katalog, um sie dann gratis doch wieder abholen zu lassen.

Bislang können die Versandhändler dagegen nicht viel tun. Der Quelleversand hat kürzlich einige Kunden persönlich angeschrieben und ihnen damit gedroht, sie künftig nicht mehr zu beliefern. Doch „dann bestellen sie eben einfach bei anderen Versandhändlern“, sagt die BVH-Sprecherin. Auch die Einführung von „Schwarzen Listen“ sei keine Lösung – die seien auf Grund des Datenschutzes nicht zulässig.

Es ist zwar nur ein kleiner Anteil der Kunden, der zu den „Vielretournierern“ gehört, die Kosten für die Versandhändler aber sind enorm: Im Jahr 2002 lagen sie bei 4,3 Milliarden Euro. Vor allem junge Kunden zwischen 18 und 29 Jahren bestellen oft wahllos aus dem Katalog, nur um die Ware kurze Zeit später zu retournieren. Zehn Prozent der Kunden verursachen so 40 Prozent der Kosten. „Da inszenieren einige regelrechte Modenschauen zu Hause, nur um die bestellte Kleidung dann wieder zurückzuschicken“, sagt Rechtsanwalt Becker.

Das Problem hat nun auch die Politik erkannt. Nach der Sommerpause wird sie sich der Sache erneut annehmen und den Paragraphen 357 des Bürgerlichen Gesetzbuches „aller Wahrscheinlichkeit nach ändern“, sagt die BVH-Sprecherin. Dann werden die Versandhändler den Kunden zumindest unter bestimmten Umständen die Kosten für Rücksendungen auferlegen können. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern haben gezeigt, dass die Retourenquote dadurch deutlich gesenkt werden kann.

Fritz Niemann

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