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Krankengeld: Firmen sparen – und die Kassen zahlen

Die Ausgaben für das Krankengeld schießen in die Höhe. Die Techniker-Krankenkasse glaubt, dass die Arbeitgeber daran nicht unschuldig sind.

Berlin - Noch ist es nur ein Verdacht, den Norbert Klusen, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), hegt. Neulich in Berlin dachte der TK-Chef laut darüber nach, warum seine Kasse im vergangenen Jahr deutlich mehr Krankengeld zahlen musste als 2008. Einer der Gründe, so Klusen, könnte der Sparwillen finanziell klammer Arbeitgeber sein. Firmen, die Kurzarbeit einführen, wälzen ihre Lohnkosten verstärkt auf die Kassen ab, indem sie ihren Beschäftigten nahelegen, sich krankschreiben zu lassen. Der Vorteil für die Betriebe: Dauert die Krankschreibung länger als sechs Wochen, muss der Arbeitgeber keinen Lohn mehr zahlen, sondern die Krankenkasse greift dem Arbeitnehmer mit Krankengeld unter die Arme. Klusen sieht das kritisch: „Das treibt die Lohnnebenkosten hoch“, ärgert sich der Kassenchef, weist aber zugleich darauf hin, dass auch andere Faktoren das Krankengeld erhöhen. Die Arbeitgeber lehnen jede Schuld ab. „Wir kennen das Phänomen nicht“, heißt es auf Anfrage bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Auffällig ist jedoch, dass alle großen Krankenkassen unter einer Kostenexplosion beim Krankengeld leiden. Bei der Techniker nahmen die mit Krankengeld verbundenen Fehlzeiten im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent zu, bei der Barmer-GEK waren es sogar zwölf Prozent. „Im vergangenen Jahr haben wir fast eine Milliarde Euro für Krankengeld ausgegeben“, sagte ein Barmer-Sprecher dem Tagesspiegel. Auch die KKH-Allianz klagt über steigende Belastungen durch Langzeitkranke. „Vor fünf Jahren flossen pro Jahr insgesamt 154 Millionen Euro in diesen Bereich, im vergangenen Jahr waren es bereits 225 Millionen – eine Steigerung in derart kurzer Zeit um über 40 Prozent“, gibt Vorstandschef Ingo Kailuweit zu bedenken. „Wir haben für den Anstieg der Kosten noch keine plausible Erklärung“, sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands.

Tatsächlich dürften mehrere Gründe zusammenkommen. So nehmen die Krankmeldungen von Berufstätigen aus psychischen Gründen zu. Psychische Störungen sind jedoch in aller Regel mit langen Fehlzeiten verbunden. Auch Arbeitslose leiden zunehmend unter psychischen Problemen und lassen sich immer länger krank schreiben. Nach dem neuen Gesundheitsreport der TK beziehen Erwerbslose statistisch gesehen im Jahr fünf Tage länger Krankengeld als Berufstätige. Das könnte aber auch finanzielle Hintergründe haben. „Krankengeld verlängert die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I“, gibt TK-Chef Klusen zu bedenken.

Und es entlastet klamme Arbeitgeber. 810 000 Firmen hatten ihre Belegschaft im Dezember aus konjunkturellen Gründen kurz arbeiten lassen. Im Dezember 2008 waren es gerade einmal 201 000 gewesen, berichtet Ilona Mirtschin von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Neue Zahlen wird die BA nächste Woche vorlegen. Bei Kurzarbeit zahlt der Arbeitgeber Lohn nur für die tatsächlich geleistete Arbeit, die Lohneinbußen, die mit dem Arbeitsausfall verbunden sind, deckt die BA mit dem Kurzarbeitergeld ab. Sie übernimmt 60 Prozent des ausgefallen Lohns bei Kinderlosen und 67 Prozent bei Arbeitnehmern mit Kind. Heike Jahberg

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