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Krankenversicherung: Eine für alle

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Bert Rürup, hat die Überlegungen aus der privaten Versicherungswirtschaft, eine Art Einheitsversicherung einzuführen, als einen "großen Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet. Doch die Einheitsversicherung ist umstritten.

Es sei vernünftig, die Segmentierung im Gesundheitsmarkt, also die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, zu überwinden, so Rürup. „Das jetzige Nebeneinander von GKV und PKV führt zu einer ineffizienten Entmischung der Risiken. Ein einheitlicher Versicherungsmarkt, auf dem private und gesetzliche Versicherer mit gleich langen Spießen konkurrieren, ist erstrebenswert“, sagte der Wirtschaftsweise Rürup dem Tagesspiegel.

Am Montag waren Überlegungen aus Teilen der Versicherungswirtschaft bekannt geworden, das deutsche Gesundheitssystem radikal umzubauen. Im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GVD) ist ein Konzept erarbeitet worden, das eine Art Einheitsversicherung mit einer Basiskrankenversicherung für alle Bürger vorsieht. Das bisherige Geschäftsmodell der PKV würde dadurch spürbar umgekrempelt. In der Branche sind diese Überlegungen daher auch stark umstritten.

In einem internen Papier wird ein Szenario für die Gesundheitswirtschaft im kommenden Jahrzehnt entwickelt. Danach soll es eine Einheitsversicherung für alle geben – in die jeder unabhängig von Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen aufgenommen wird. Die Versicherten sollen dafür eine Einheitsprämie zahlen. Sie könnten über den Basisschutz hinaus private Zusatzversicherungen abschließen. Hintergrund solcher Gedankenspiele ist die wachsende Überzeugung in einigen Unternehmen, dass das derzeitige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung nicht zukunftsfähig ist. Für große börsennotierte Konzerne wie die Allianz verliert das Geschäft mit der Vollversicherung an Attraktivität, durch den hohen Anteil älterer Versicherter wird es schwerer, die gewünschten Renditen zu erwirtschaften. Diese Unternehmen setzen daher verstärkt auf das Geschäft mit Zusatzversicherungen. Die eher genossenschaftlich organisierten Unternehmen wie Debeka oder Signal Iduna sehen die Pläne dem Vernehmen nach mit großer Skepsis.

In der Politik stoßen die Planspiele auf gemischte Resonanz. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte, die Privaten sähen zunehmend, dass ihr Geschäftsmodell dem Ende zugehe. „Es gibt nicht mehr genügend junge Leute, die bereit sind, ihr Geld bei der PKV abzugeben“, sagte er. Noch machten die Unternehmen Gewinne von 100 Milliarden Euro. Dieses Geld werde aber in Zukunft benötigt, um die Versorgung der alternden Versicherten zu bezahlen. „Der Druck in Richtung Bürgerversicherung wächst.“ Auch die Grünen begrüßten die Überlegungen. Endlich hätten „auch die privaten Versicherungsunternehmen erkannt, dass ein geteilter Versicherungsmarkt langfristig keinen Sinn hat“, sagte deren Gesundheitspolitikerin Biggi Bender. Das deutsche System mit GKV und PKV sei ein Auslaufmodell.

Die Segmentierung im Krankenversicherungssystem sei „in der Tat nicht mehr zeitgemäß“, sagte auch der FDP-Politiker Daniel Bahr. Allerdings müssten sich die Gesetzlichen stärker in Richtung der Privaten entwickeln und nicht andersherum. „Was künftige Risiken etwa durch die alternde Bevölkerung betrifft, sind die Privaten mit ihren Altersrückstellungen doch die Überlegenen“, sagte Bahr. Wenn Privatversicherer sich nun eine Art Einheitskasse für die Basisversorgung wünschten, um sich auf das Geschäft mit Zusatzversicherungen spezialisieren zu können, wäre dies aber „ein Armutszeugnis“. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte, er fände es „bedauerlich, wenn die PKV das infrage stellen würde, was sie zukunftsfähig macht: nämlich die Kapitalrückstellungen für die Versorgung im Alter“. Cordula Eubel

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