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Prunkvoll: Kuppel der Galeries Lafayette in Paris, hier mit einem Werk des französischen Künstlers Philippe Ramette.

© dpa

Krise bei Karstadt: Das Modell Kaufhaus lebt weiter

Karstadt kommt nicht aus der Krise. In den Innenstädten machen Einkaufszentren Konkurrenz, das Modell Kaufhaus scheint überholt. Dabei gibt es durchaus noch erfolgreiche Warenhausketten.

Von Maris Hubschmid

Der zweite Geschäftsführerabgang binnen eines Jahres, Ankündigungen harter Einschnitte und Verkaufsgerüchte: Die zurückliegenden zehn Tage waren für Karstadt und seine Beschäftigten von Hiobsbotschaften geprägt. Das Traditionsunternehmen kämpft mit anhaltenden Verlusten, Umsätze wandern ins Netz ab – und in den Innenstädten machen Einkaufszentren Konkurrenz. Das Modell Kaufhaus scheint überholt. Andererseits funktionieren andere Ketten nach wie vor: Der größte Mitbewerber, die zum Metro-Konzern gehörende Kette Galeria Kaufhof, wies zuletzt einen Vorsteuergewinn von 136 Millionen Euro aus, in Spanien hält sich El Corte Inglés stabil als die größte Kaufhauskette Europas. In Großbritannien bestehen mit Marks & Spencer, Debenhams, John Lewis und House of Fraser gleich vier Konkurrenten am Markt.

„Die Ausgangssituation für Galeria Kaufhof war einmal die gleiche wie für Karstadt“, sagt Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE. „Aber Kaufhof hat rechtzeitig begonnen, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen.“ Auch Kaufhof schließe jedes Jahr ein, zwei Standorte, aber unaufgeregt.

„Kaufhof hat seit dem Jahr 2000 weit über eine Milliarde Euro Umsatz verloren“, sagt Gerd Hessert, Handelsexperte der Universität Leipzig. „Aber das Unternehmen hat jedes Jahr Abläufe und Personalkosten angepasst, der Umsatz pro Mitarbeiter ist unverändert.“ „Kaufhof hat nichts fundamental besser gemacht, im Klein-Klein des täglichen Geschäfts aber viel bessere und aktuellere konzeptionelle Arbeit geleistet“, sagt Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Karstadts Hauptproblem ist seiner Meinung nach, dass es im Bereich Mode nicht wettbewerbsfähig ist. „Warenhäuser machen 50 bis 60 Prozent ihres Umsatzes mit Textilien“, sagt Roeb. Das habe Kaufhof rechtzeitig erkannt – während Karstadt noch versuchte, mit Multimedia- und Lampenabteilungen gegen die Fachmärkte zu konkurrieren.

Mehr Spielraum bei Investitionen

„Bei Karstadt gibt es den totalen Investitionsstau“, sagt Berater Stumpf. Freilich könne man Institutionen wie das KaDeWe oder Harrod’s in London nicht mit einem Karstadt am Hermannplatz vergleichen, sie seien echte touristische Attraktionen, einzigartig. Lernen könne man von ihnen aber doch: „Der stationäre Handel kann nur überleben, wenn er Einkauf zum Erlebnis werden lässt“, sagt Stumpf.

Was anderen bei Investitionen dabei mehr Spielraum gibt als Karstadt: Den Mitbewerbern gehören die Immobilien, in denen sie wirtschaften. Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen dagegen hat die Immobilien an den österreichischen Investor René Benko verkauft. „Der Mietzins ist ein extrem hoher Fixkostenblock, der mal in Hoffnung auf steigende Umsätze vereinbart worden war“, sagt Roeb. Die Verträge seien dabei für Jahre im Voraus gemacht worden – auch im Fall der Abwicklung einzelner Häuser müsste weitergezahlt werden. „Darauf wird der Vermieter bestehen, denn auch er wird erheblich in die Gebäude investieren müssen, ehe er sie neu vermieten kann“, sagt Roeb.

Online, meinen die Experten einhellig, sei auch Kaufhof weit hinter dem, was möglich ist – aber doch besser dran als Karstadt. Wie es aus dem Unternehmen heißt, wurden jüngst 1000 Verkäufer mit Tablet-Computern ausgestattet. Der amerikanische Warenhausbetreiber Macy’s hat die Digitalisierung längst als Chance erkannt: Mithilfe diverser Online-Services lässt sich für Kunden online einfach nachvollziehen, ob ein bestimmter Artikel in einer Filiale vorhanden ist. Scannbare Codes am Produkt liefern schnelle Informationen auf das Smartphone.

Auch kleine Kaufhäuser erfolgreich

Europaweit spielten Kaufhäuser eigentlich nur in fünf Ländern überhaupt eine Rolle, sagt Hessert: neben Deutschland in Finnland, Frankreich, Spanien und Großbritannien. In Finnland und Frankreich sind die Ketten Stockmann und Galeries Lafayette sowie Printemps aber jeweils deutlich kleiner. Die großen Warenhausakteure in Großbritannien treffen auf insgesamt deutlich weniger Einzelhandels-Verkaufsfläche pro Einwohner und einen höheren Umsatz pro Quadratmeter.

Auch in Deutschland gebe es heute noch etliche kleinere Kaufhäuser, die erfolgreich seien, sagt Joachim Stumpf: „Die kennt nur keiner, weil sie ausschließlich regional eine Rolle spielen – und genau das ist ihr Plus.“ Sie kennen ihre Zielgruppe gut, gehen auf deren Bedürfnisse und den örtlichen Wettbewerb ein. „Wenn es am Ort kein Möbelhaus gibt, werden Haushaltswaren und Bettwäsche stärker gebraucht“, je nach Lage Bergsteigerausrüstung oder Bademode.

Einen solchen Ansatz hatte ja auch Eva-Lotta Sjöstedt verfolgt, die nach nur viereinhalb Monaten an der Spitze von Karstadt hinwarf, weil sie sich nicht unterstützt fühlte. „Die fehlende Konstante ist Karstadts größtes Problem“, sagt Stumpf – und das fehlende Kapital.

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