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Krisenpolitik: Schädliche Rettungsaktionen

Opel-Rettung, Abwrackprämie, Kurzarbeit: In der Krise bemüht sich die Regierung um den Erhalt des Status Quo, statt sinnvoll in die Zukunft zu investieren

Offiziell geht es um die Zukunft von Opel. Doch in Wahrheit bewegt die Regierungsvertreter an diesem Mittwoch im Kanzleramt vor allem eines: Wie viele Arbeitsplätze können in Rüsselsheim, in Bochum, Kaiserslautern und Eisenach gerettet werden? Der Grund, aus dem viele Politiker das Konsortium um den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna favorisieren: Statt in Deutschland will das Unternehmen vornehmlich in Spanien, Belgien und Großbritannien Stellen streichen. Das sichert womöglich die Zustimmung der deutschen Politik. Aber sichert es auch die Zukunft von Opel?

Fraglich ist das allemal. Auch Magna ist ein Opfer der Wirtschaftskrise. Der Umsatz des Unternehmens ist zuletzt drastisch eingebrochen. Ebenso wie die Absätze am russischen Automarkt, die in diesem Jahr um 60 Prozent sinken könnten. Opel soll hier künftig 700.000 Autos pro Jahr verkaufen, verspricht Magna. Dabei ist ungewiss, ob und wie schnell sich der russische Markt erholen kann.

Zudem würde eine Übernahme nichts am Kernproblem von Opel ändern: Das Unternehmen baut weiterhin Mittel- und Kleinwagen für ein Marktsegment, in dem ein harter Wettbewerb geführt wird und die Überkapazitäten gigantisch sind. Opel braucht langfristig ein tragfähiges Geschäftsmodell dringlicher als Provinzfürsten wie den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rüttgers, der um jeden Arbeitsplatz in Bochum feilscht.

Das gilt umso mehr, als der Steuerzahler einen großen Teil der Risiken tragen soll. Magna will 4,5 Milliarden Euro an Staatsbürgschaften, Rippelwood fünf, die Chinesen etwas weniger, Fiat braucht sieben Milliarden. Bekäme Magna den Zuspruch, müsste der Staat für jeden der 25.000 Arbeitsplätze bei Opel mit 180.000 Euro bürgen – eine enorme Summe, so bitter der Verlust eines Arbeitsplatzes auch sein mag.

Zugleich würde die Regierung einen Präzedenzfall schaffen. Nicht nur bei Opel drohen Arbeitsplätze zu verschwinden. Schaeffler beschäftigt 28.000 Menschen, Arcandor 50.000. Der Staat müsste auch hier einspringen, will er nicht unglaubwürdig werden – ganz gleich, ob das Geschäftsmodell, das er unterstützt, überhaupt trägt. Konkurrenten, deren Produkte am Markt erfolgreich sind, wären dadurch benachteiligt. Günstige Kredite könnten Opel etwa in die Lage versetzen, den Wettbewerbern, etwa Volkswagen und Ford, mit Kampfpreisen zuzusetzen. Das würde auch ihre Krise verschärften. Wer nur erhalten will, was ist, schafft sich so laufend neue Probleme.

Bereits jetzt zieht sich strukturkonservatives Denken wie ein roter Faden durch die deutsche Krisenpolitik. Fünf Milliarden Euro gibt die Regierung für die Abwrackprämie aus, die die Überkapazitäten der Autoindustrie keinesfalls auflöst, den Haushalt und die Umwelt aber auf Dauer belastet. Auch die Kurzarbeit kostet viel Geld, ohne dass  sie langfristig verhindern kann, dass viele Menschen ihren Job verlieren. Beide Instrumente mögen für einige Monate wirken, womöglich mildern sie Leid. Langfristige Werte, die die Krise überdauern, schaffen sie nicht.

Aber sollte der Staat stattdessen tatenlos zusehen, wie die Wirtschaft leidet? Während der Weltwirtschaftskrise 1929 wollte die amerikanische Regierung die Krise genau so bekämpfen: sie "liquidierte" Arbeitsplätze, um das System "reinzuwaschen", wie es der damalige Finanzminister Andrew Mellon formulierte. Das führte das Land in die große Depression. Deshalb: Ja, die Regierung muss gegensteuern. Aber sie muss auch darauf achten, dass sie langfristig Erfolg Versprechendes erhält und fördert, statt nur am Bewährten festzuhalten.

Deshalb ist es auch zu kurz gegriffen, nur den Schuldenberg zu bejammern, den diese Krisenpolitik hinterlässt. Natürlich ist es bitter, wenn dieser schon bald auf 1,9 Billionen anwachsen wird. Die künftigen Generationen werden diese Schulden bedienen müssen, durch Zinszahlungen und höhere Steuern. Die Belastung ist groß, aber sie könnte produktiv genutzt werden: dafür, den hiesigen Standort zu reformieren, damit neues Wachstum entsteht – das dazu beitragen könnte, den Schuldenberg wieder abzutragen.

Eine Wirtschaft aber, die lediglich schockgefrostet wird, um sie in der Krise zu erhalten, wird das nicht leisten können. Taut sie irgendwann in ein paar Jahren auf, wird vieles in sich zusammenfallen, was jetzt noch mit den Staatsmilliarden gestützt wird.

Beklagen sollte man deshalb, wie wenig diese neuen Schulden künftigen Generationen nutzen werden. Der Öko-Anteil des deutschen Konjunkturpakets liegt etwa bei einem Fünftel. Neue Ideen, wie die deutsche Wirtschaft in Zukunft wettbewerbsfähig sein könnte, fehlen in der Diskussion weitestgehend. Stattdessen baut der Staat weiter mehr Straßen und zahlt Milliarden für die Abwrackprämie.

Das Geld wäre anderswo besser angelegt: in Schulen und Universitäten, womöglich auch in vorübergehenden Subventionen für neue Technologien, in Zuschüssen für Gründer, die in der Krise etwas Neues wagen. Das mag weniger populär sein als die Rettung von 25.000 Arbeitsplätzen bei Opel. Eine junge Generation aber, die mehr will als nur höhere Steuern in ein paar Jahren, sollte darauf bestehen.

ZEIT ONLINE

Philip Faigle[ZEIT ONLINE]

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