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Wirtschaft: Kritik an Kassenreform

Berlin (brö). Die Reformpläne der Opposition für das Gesundheitswesen könnten zu Beitragsausfällen in Milliardenhöhe führen.

Berlin (brö). Die Reformpläne der Opposition für das Gesundheitswesen könnten zu Beitragsausfällen in Milliardenhöhe führen. Wirtschaft und Wissenschaftler befürchten, dass die Einführung von Selbstbehalten und Wahltarifen für die Versicherten Mindereinnahmen bis zu fünf Milliarden Euro bringen könne. Ungerecht wäre ein Eigenanteil in der Krankenversicherung zudem, weil er vor allem gut Verdienenden Vorteile bringe.

Bislang gibt es Wahltarife und Selbstbeteiligungen nur in der privaten Krankenversicherung. Union und FDP planen, auch Versicherten der gesetzlichen Kassen Wahlmöglichkeiten anzubieten. Die Idee: Mehr Eigenbeteiligung soll zu mehr Kostenbewusstsein und niedrigeren Ausgaben führen. So will die Union neben der Normalversorgung abgespeckte Tarife anbieten, bei denen die Versicherten „Leistungen abwählen oder einen Selbstbehalt übernehmen“ können, heißt es im Wahlprogramm. CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz hat zudem vorgeschlagen, Versicherten zwei Monatsbeiträge zurückzuerstatten, wenn sie ein Jahr lang keine Leistungen beanspruchen. Auch laut FDP setzen „Selbstbehalte und Selbstbeteiligungen Anreize für kostenbewusstes Verhalten“.

Doch fraglich ist, ob Selbstbehalte tatsächlich Geld sparen. Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) Bonn kommt zu dem Schluss, dass die Patienten durch Selbstbehalte kaum sparsamer mit Gesundheitsleistungen umgehen. Dies zeige das Beispiel Schweiz, wo es seit 1996 Selbstbehalte zwischen 230 und 1500 Franken gibt. IZA-Experte Martin Schellhorn schreibt, in der Schweiz seien die Versicherten trotz Eigenbeteiligung nicht seltener zum Arzt gegangen. Stattdessen hätten gesündere Versicherte die Eigenbeteiligung dazu genutzt, ihre Krankenversicherungskosten zu senken. Grund: Weil sie gesünder sind, gehen sie ohnehin seltener zum Arzt und zahlen nun weniger für die gleiche Leistung.

Für Deutschland seien Selbstbehalte daher ungeeignet, sagt Gerd G. Wagner, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Sie fördern die Umverteilung und sind ungerecht. Gesunde würden dank der Eigenbeteiligung weniger zahlen, Kranke mehr“, kritisiert Wagner.

Ein Problem wäre zudem, dass nach der Einführung von Selbstbehalten mehrere Milliarden Euro Beiträge fehlen würden. „Das Unions-Modell führt zu Ausfällen von fünf Milliarden Euro“, hat der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach berechnet, der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) berät. Seine Rechnung: Ein Drittel der Versicherten würde sich vermutlich für einen Selbstbehalt und geringere Beiträge entscheiden. Damit fielen 5,8 Milliarden Euro an Beiträgen weg, die Kassen würden aber nur 800 Millionen Euro weniger ausgeben. „Dieser Ausfall würde die Beiträge der Normalversicherten auf 14,5 Prozent treiben“, so Lauterbach.

Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik. Ulrich Rumm, Vorstandschef der Vereinte Krankenversicherungs AG, hält die Wahltarife für inkompatibel mit dem Sozialsystem. „Den Entwürfen zufolge sollen die Versicherten Leistungen ab- und später wieder dazuwählen können. Das funktioniert nicht“, sagt Rumm. Dann würden Gesunde nur den Minimalschutz wählen, ihn im Falle der Krankheit aber wieder aufstocken. Rumm: „Das sprengt jede Versicherung.“

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