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Indianerstämme genießen in den USA einen Sonderstatus, der lukrative Geschäfte möglich macht.

© Eduardo Munoz/Reuters

Kurioser Patentstreit: Häuptling Großes iPad

Kleinere US-Firmen übertragen Patente an Indianerstämme, um sie vor dem Zugriff von Apple & Co. zu schützen. Der Trick ist lukrativ – und umstritten.

Es ist länger her, dass die Mohawks im Nordosten der USA auf dem Kriegspfad waren. Doch jetzt zieht der Indianerstamm, der mit rund 3000 Menschen ein Reservat an der kanadischen Grenze im Bundesstaat New York bewohnt, erneut in die Schlacht – und zwar vor Gericht. Die Mohawks sind Teil einer neuen und umstrittenen juristischen Konstruktion, bei der es um Patente, Immunität vor Gericht und viel Geld geht. Jetzt nimmt es der Stamm mit den Technologie-Giganten Microsoft und Amazon auf. Nicht nur die Mohawks machen mobil. Apple muss sich mit einem anderen Indianerstamm herumschlagen.

Dreh- und Angelpunkt ist der gesetzliche Sonderstatus für die Indianer in den USA. Amerikanische Gesetze definieren die Stämme als unabhängige Nationen innerhalb der Vereinigten Staaten. In den Reservaten gelten nur die Bundesgesetze und daneben die Gesetze der einzelnen Stämme. Diese Autonomie schließt einen Schutz vor Klagen ein: So wie Bundesstaaten der USA nicht verklagt werden können, sind auch die Stämme davor gefeit. Bei Patentangelegenheiten gilt dieser Schutz auch für staatliche Universitäten.

Indianer als juristischer Schutzschild

Den juristischen Schutzschild der Indianer machen sich nun diverse Unternehmen in Patentstreitigkeiten mit Großkonzernen zunutze. Vor einigen Wochen übertrug das Pharmaunternehmen Allergan die Patente für neu entwickelte Augentropfen an die Mohawks, die dann Allergan eine Lizenz für das Präparat erteilten – für rund 14 Millionen Dollar. Weitere 15 Millionen Dollar im Jahr sollen fließen, solange das Patent gilt. Da die Mohawks formell die Eigentümer der Patente sind, haben Konkurrenten von Allergan keine Möglichkeit mehr, wegen des Verdachts auf falsche Patente zu klagen.

Ganz wasserdicht ist der Trick nicht. Ein Bundesrichter erklärte die Augentropfen-Patente vor wenigen Tagen für ungültig und warf Allergan vor, den juristischen Schutz der Mohawks „gemietet“ zu haben.

Rückschläge wie diese tun der Attraktivität der Indianer aber keinen Abbruch. Das Computerunternehmen SRC Labs tat sich jetzt ebenfalls mit den Mohawks zusammen, um Amazon und Microsoft wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen bei Supercomputern zu verklagen. In normalen Fällen würden die Juristen der Großkonzerne die staatliche Schiedsbehörde für Patentstreitigkeiten PTAB anrufen, um die Attacke zurückzuschlagen. Doch weil die Mohawks als Inhaber der Supercomputer-Patente auftreten und gegen rechtliche Schritte immun sind, geht das nicht. Derzeit ist nicht bekannt, was Amazon und Microsoft nun tun wollen.

Anteile an iPad-Verkäufen gefordert

Die Kollegen bei Apple erleben Ähnliches. Der Hersteller von iPhone und iPad liegt mit den Indianern der drei Stämme Mandan, Hidatsa und Arikara in Nord-Dakota im Clinch. Der Stammesverband der drei Gruppen will von Apple einen Anteil vom Verkaufserlös des iPad 4, weil in den Geräten angeblich patentgeschützte Technologie verwendet wird. Die Indianer hatten das Patent von der Firma Prowire aus Texas übernommen. Auch in diesem Fall ist ein Gang zur Schiedsbehörde für Apple unmöglich.

Inzwischen laufen Bemühungen an, die Nutzung der Indianer-Rechte zugunsten Dritter zu unterbinden. Das kalifornische Verfassungsgericht hatte ähnliche Versuche eines Kreditunternehmens im vergangenen Jahr zurückgewiesen. Dort hatte sich die Kreditfirma mit Indianerstämmen zusammengetan und argumentiert, aufgrund dieses Bündnisses müsse sie sich nicht an kalifornische Regeln für das Kreditwesen halten. Das Gericht betonte aber, die Indianer hätten mit dem eigentlichen Kreditgeschäft nichts zu tun. Im US-Kongress in Washington wird derzeit über eine gesetzliche Neuregelung gesprochen, die eine Vermietung von Patentrechten an die Indianer verbieten soll.

Doch noch gibt es kein neues Gesetz, und auch der Rechtsstreit in Kalifornien ist nur ein fernes juristisches Donnergrollen: Das dortige Verfahren dauerte neun Jahre. Deshalb gehen die Mohawks vorerst ihren lukrativen Weg der Patent-Übernahme weiter. Das dabei verdiente Geld soll in die Gesundheitsversorgung und die Schulen im Reservat gesteckt werden. Zudem kündigte der Stamm für die nahe Zukunft eine weitere Patentvereinbarung mit einem Unternehmen an. Gegen welche Firma sich die neue Abmachung richten soll, ist noch nicht bekannt.

Heute leben in den USA 2,3 Millionen Indianer – etwa 0,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Rund 562 anerkannte Stämme haben ein Reservatsgebiet von insgesamt 225 000 Quadratkilometern. Die höchste Dichte an Indianerstämmen findet sich in Alaska, gefolgt von Arizona. Nicht nur durch Patente, auch durch Kasinos sichern sich die Indianer ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Auf Grund eines Glücksspielregulationsgesetzes, das Ende der 80er verabschiedet wurde, arbeiten heute über 50 Prozent der Indianer in der Glücksspielbranche. mit jpa

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