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Kurzarbeit: 25-Stunden-Woche für 90 Prozent des Lohns

Die Krise führt zu vermehrter Kurzarbeit. Viele Beschäftigte haben nichts dagegen – und Arbeitsminister Scholz bestärkt sie darin.

Berlin - Aufgeregt sind sie, auch ein bisschen stolz. Schließlich kommt ein Minister in die Lehrlingshalle des Daimler-Werkes. Die 3000 Arbeiter in Berlin-Marienfelde, der ältesten Fabrik des Autokonzerns, wollen wissen, was Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch über Kurzarbeit zu sagen hat. Seit Mitte Januar arbeitet ein Teil der Belegschaft statt 35 nur 25 Stunden die Woche, einige sind sogar auf 22 Stunden runter. Wegen der Absatzflaute in der Autoindustrie wird das mindestens bis März so gehen. Um Stellenstreichungen zu vermeiden, sagt Scholz. Und um die Wirtschaft durch die Krise zu bringen.

Kurzarbeit muss bei der Arbeitsagentur beantragt werden, die betroffenen Beschäftigten erhalten vom Jobcenter bis zu 67 Prozent des ausgefallenen Lohns. 2008 kostete dies etwa 95 Millionen Euro. Die Arbeitsagentur habe genügend Rücklagen. „Wir könnten lange durchhalten, ich rechne aber Ende dieses, Anfang nächsten Jahres mit einem Aufschwung“, sagt Scholz. Er spricht von einer „Zeit für Weiterbildungen“, als er durch die Hallen läuft, in denen gerade V6-Dieselmotoren hergestellt werden – es klingt fast fröhlich. Ein Personalchef der Autosparte nickt anerkennend. Kameraleute umringen den Minister, die Lehrlinge in der Halle haben sich schnell an die Reporter gewöhnt und geben sich gelassen.

Scholz grüßt André Schneider, 29 Jahre alt. Der Mechaniker prüft Motoren und ist seit der Ausbildung bei Daimler. Jetzt will er Meister werden – und kann wegen der Kurzarbeit zwei Tage die Woche zu Hause für die Prüfung lernen. Scholz nickt zufrieden. Bei Daimler ist dem Konzern zufolge bislang für 50 000 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt worden. Rund 272 000 Menschen beschäftigt das Unternehmen weltweit, davon 167 000 in Deutschland.

Die Kurzarbeit hat derzeit wenige Kritiker. Auch aus Sicht der Gewerkschaft spricht nichts dagegen, wenn man so Jobs erhalten könne. Betriebsräte müssen Kurzarbeit vorher sowieso zustimmen. Wer in Marienfelde bisher monatlich 1800 Euro netto bekommen hat, muss nach einem Monat mit 25-Stunden-Wochen nur auf 165 Euro verzichten. Am Monatsende bleiben den meisten Mitarbeitern also trotz deutlich kürzerer Arbeitszeiten noch 90 Prozent des Lohns.

„Die Arbeit am Band ist wegen der geringeren Stundenzahl zwar etwas entspannter“, sagt Mustafa Efe, Betriebsratsmitglied in Marienfelde. Doch nun wollten Teile der Belegschaft den Stress an den Fließbändern auch auf Dauer reduzieren. Einige Gewerkschafter im Werk fordern schon grundsätzlich die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn. Schließlich hätten nicht sie die Krise zu verantworten. Letzteres hatte kurz zuvor auch der Minister gesagt.

Zwar gibt es Kurzarbeit auch in anderen Ländern, aber eine so lange Bezugsdauer und massenhafte Anwendung wie in Deutschland ist eher die Ausnahme. Ob die Konzerne so nicht einfach Gewinne behielten, die Verluste aber durch den Staat ausgleichen dürften, fragen Reporter aus Schweden und Finnland. Stolz erklärt Scholz diese „bewährte Einrichtung des deutschen Sozialstaates“: Besser das Amt zahle Kurzarbeitergeld für den ausgefallenen Lohn, bis die Krise vorbei sei, als dass die Leute entlassen würden und dann Arbeitslosengeld bekämen.

Und so appelliert der Arbeitsminister, hinter sich Mechaniker in Blaumännern, an die Unternehmer: „Rechnen Sie nach.“ Kurzarbeit könne sich lohnen.

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