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Nichts zu tun. Wer ständig unterfordert ist, kann in einen Boreout rutschen. Denn die Langeweile wird mit Aktionismus bekämpft – bis zur Erschöpfung. Foto: dpa

© dpa-tmn

Wirtschaft: Laaangweilig!

Burnout kennt jeder. Aber auch Unterforderung kann krank machen.

E-Mails sortieren, Aktenstapel von rechts nach links räumen, wahllos in Dokumenten herumtippen – Geschäftigkeit vorzutäuschen, ist harte Arbeit. So hart, dass sie auslaugen kann. Im schlimmsten Fall bis zum Boreout, dem Syndrom der Unterforderten. „Unsere Gesellschaft ist gewissermaßen geteilt: Burnout haben die Erfolgreichen. Die bekommen das ganze Interesse“, sagt der Psychotherapeut Wolfgang Merkle aus Frankfurt. „Menschen mit Boreout werden weniger beachtet, obwohl sie fast die gleichen Symptome haben.“

Boreout kann sich laut Merkle durch Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen oder die Unfähigkeit, das Leben zu genießen, bemerkbar machen. „Das ist oft zuerst so ein dumpfes Empfinden im Hintergrund, dass irgendetwas falsch läuft“, sagt er. Auch unter körperlichen Symptomen könnten Betroffene leiden, zum Beispiel Magenbeschwerden, Schwindel, Tinnitus oder Kopfschmerzen. Der Unterschied zum Burnout sei, dass die Erschöpfung durch den Stress der Unterforderung, nicht der Überforderung verursacht wird.

Der Schweizer Unternehmensberater und Buchautor Peter Werder nennt ein Beispiel: Ein Bewerber erwartet von seinem neuen Job aufgrund der Ausschreibung und des Bewerbungsgesprächs eine Position als Projektleiter mit internationaler Erfahrung. Dann stellt sich aber heraus, dass er nur eine Unterabteilung leitet und kaum internationale Kontakte stattfinden. Die Folge: Er ist quantitativ und qualitativ unterfordert. „Die eigentliche Schwierigkeit ist, zu realisieren, dass das der Grund ist, warum man am Abend müde ist.“

Betroffene verfallen oft in Aktionismus, der das Nichtstun kaschieren soll. Eine davon sei paradoxerweise die Burnout-Strategie, bei der Boreout-Geplagte ihr Problem gewissermaßen ins Gegenteil umkehren und von früh bis spät im Büro sind, um Überlastung zu simulieren. Es stimmt daher nicht, dass Betroffene einfach nur faul sind. „Absoluter Blödsinn“, sagt Werder zu solchen Vorwürfen. „Wer Boreout hat, will ja arbeiten und leidet darunter, dass er es nicht kann.“ Laut Merkle trifft es daher in der Regel sogar eher die Leistungsbereiten.

Bemerken Arbeitnehmer, dass ihr Büroalltag in diese Richtung driftet, sollten sie möglichst reagieren, rät Merkle. Eine Lösung könne Teilzeitarbeit sein, ergänzt Werder. Wer sich unterfordert fühlt, sollte den Chef darauf ansprechen, dass die eigene Stelle eigentlich keine volle, sondern nur eine 80-Prozent-Stelle ist. „Das kann durchaus eine Lösung sein.“ Zwar gibt es dann weniger Geld, aber im Büro ist man ausgelastet, und die freie Zeit kann man woanders sinnvoller verstreichen lassen.

Ist die Erschöpfungsdepression eingetreten, sollten Betroffene die Symptome ihrem Hausarzt schildern, rät Merkle. Der schicke ihn wahrscheinlich zu einem Facharzt für psychosomatische Medizin. „Das kann mit ein bis zwei Gesprächen pro Woche schon geklärt werden.“ In einigen Fällen könne aber auch der beste Therapeut nichts mehr retten: „Manchmal hilft nur die Kündigung.“dpa

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