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Wirtschaft: Länder lehnen Börsenplan der Bahn ab

Der Bundesrat will den Staatskonzern nur ohne das Schienennetz privatisieren

Berlin - Die Bundesländer lehnen mehrheitlich den Plan von Deutsche-Bahn- Chef Hartmut Mehdorn ab, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Die Bahn dürfe auf keinen Fall zusammen mit dem Schienennetz privatisiert werden, erklärten die Bundesländer in einer Umfrage des Tagesspiegels vom Mittwoch. Das Netz sollte grundsätzlich in staatlicher Hand bleiben, sagte etwa der rheinland-pfälzische Verkehrsministers Hans-Artur Bauckhage (FDP). Mehdorn will heute in Berlin die Bilanz der Bahn für das Jahr 2003 vorlegen.

Das Länder-Votum bedeutet einen weiteren Rückschlag für den Bahn-Manager. Bereits vergangene Woche hatten Verkehrspolitiker aller Bundestagsfraktionen Abstand von Mehdorns Vorhaben genommen. Er will die Bahn, die noch komplett dem Staat gehört, möglichst im Frühjahr 2006 an die Börse bringen. Nach Post und Telekom ist der Schienenkonzern der letzte Großbetrieb in öffentlicher Hand. Am wahrscheinlichsten ist der Verkauf eines Minderheitsanteils an einen Investor. Die Bahn erhofft sich davon größere unternehmerische Freiheit. Momentan werden Planungen stark von Bund und Ländern beeinflusst.

Umstritten ist indes das Privatisierungs-Prozedere. Mehdorn will die Bahn inklusive des 35000 Kilometer langen Schienennetzes verkaufen. Politiker und Ökonomen argumentieren aber, das Netz als Teil der Infrastruktur müsse in der Hand des Staates bleiben. Ohnehin müsse der Bund Erhalt und Neubau der Gleise auf Jahre mit Milliardensummen finanzieren. Zudem könne der Konzern private Konkurrenten im Wettbewerb behindern.

Diese Bedenken teilen mehrere Länder, die über eine Privatisierung inklusive der Schienen im Bundesrat befinden müssten. „Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass das Schienennetz wie auch die Straßeninfrastruktur mehrheitlich in der Hand des Staates verbleiben sollen“, sagte Hanspeter Georgi (CDU), Verkehrsminister des Saarlandes.

Auch SPD- regierte Länder wie Schleswig-Holstein haben Vorbehalte. „Wir müssen den Ausbau der Infrastruktur so gestalten, dass wir so viele Menschen wie möglich auf die Schiene bringen und dass neben der DB auch andere Anbieter gleiche Chancen haben“, befand Verkehrsminister Bernd Rohwer (SPD). „Dazu müssen Netz und Betrieb rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch getrennt sein.“ Hamburgs Verkehrssenator Michael Freytag (CDU) erklärte, gegen einen Börsengang mit Teilen des Netzes sprächen „Erfahrungen anderer Länder, beispielsweise England“. Die Gleise würden bei einem Verkauf zum „reinen Renditeobjekt“, auf lange Sicht könnten „erheblichen Kosten auf die öffentliche Hand zurückfallen“. Eher ablehnend stehen Mehdorns Plan eines integrierten Börsengangs auch Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegenüber. Noch nicht äußern wollten sich Bayern, Bremen, Brandenburg, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Die Länder fürchten, dass bei einer Privatisierung des gesamten Systems Bahn weitere Strecken, vor allem auf dem Land, stillgelegt werden könnten. „Als Kapitalmarkt-Konzern müsste die Bahn alle Sparten auf Profitabilität trimmen, auch das Schienennetz. Als Erstes würden dann verlustträchtige Nahverkehrs-Strecken abgestoßen“, heißt es in einem östlichen Bundesland. Um einem solchen Szenario vorzubeugen, müsse die Bahn vor einer Privatisierung „über viele Jahre Gewinne machen, damit sie ausreichend finanzkräftig ist“. „Nachhaltig positive Ergebnisse“ vor einem Börsengang fordert auch der rheinland-pfälzische Minister Bauckhage: „Deshalb setze ich hinter den Termin 2006 ein Fragezeichen.“ Die Länder haben dabei auch die privaten Bahn-Konkurrenten im Blick, die zuletzt mehr Nahverkehrsverträge gewonnen haben.

2004 will die Bahn erstmals seit Jahren wieder Gewinn machen. Im ersten Quartal hat das Unternehmen aber noch ein Minus von 82 Millionen Euro eingefahren.

Mehdorn gerät damit unter Druck. Wenn sich in Bundestag und Bundesrat keine Mehrheit für sein Vorhaben findet, ist seine Strategie gescheitert, aus dem Sanierungsfall Bahn einen börsenfähigen Konzern zu machen. „Mehdorn hat sich in eine schwierige Position manövriert. Er will sich nicht vom Netz trennen und hat sich allein auf die Unterstützung des Kanzleramtes verlassen“, sagt ein Insider. Er müsse nun auf die Kritiker zugehen und eine Alternativstrategie vorlegen. Die Länder halten dabei die Türe offen. Das Netz könne beim Staat bleiben, und die Bahn könne sich um den Unterhalt bewerben, ist von einigen Ländern zu hören.

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