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Unter Bäumen. Der Trend geht zum Mischwald, erfährt Minister Schmidt bei einem Spaziergang in Eberswalde.

© picture alliance / dpa

Landwirtschaftsminister Schmidts Besuch im Grünen: Wie der Wald sich wandelt

Landwirtschaftminister Schmidt macht sich im Rahmen der Bundeswaldinventur ein Bild von den Forsten. Der Klimawandel macht den Gehölzen zu schaffen.

Von Barbara Nolte

Christian Schmidt ist wohl Deutschlands unbekanntester Minister. Manchmal muss man in den Wald fahren, um ihn zu treffen. In Leinenjanker und Budapester Schuhen hat er sich im Forst von Eberswalde ins Unterholz geschlagen und sucht mit einem kreischenden Metalldetektor nach einem Eisenhaken.

Der deutsche Wald wird alle zehn Jahre vermessen

Tausende Haken dieser Art sind in ganz Deutschland vergraben. Sie markieren die Punkte, in deren Umkreis im Zehn-Jahres-Turnus der deutsche Wald vermessen wird. Anlass ist die Bundeswaldinventur, eine Art Volkszählung für Bäume. 60 Inventurtrupps haben in den vergangenen drei Jahren 420 000 Bäume in ihre Computer eingegeben. Aus ihren Daten haben die Wissenschaftler des bundeseigenen Thünen-Institutes für Waldökosysteme in Eberswalde hochgerechnet, wie es um die rund acht Milliarden Bäume in deutschen Wäldern steht. Mitte kommender Woche will Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt die Ergebnisse präsentieren.

Minister Schmidt hat mit der Kanzlerin über den Wald gesprochen

An einem spätsommerlichen Septembertag ist er nach Eberswalde gekommen, um sich die Erhebungsmethoden, auf denen die Inventur basiert, erklären zu lassen. Gleich hinter dem Thünen-Institut beginnt der Buchenwald. Auf einem Forstweg parken zwei dunkle Limousinen. Ein Fahrer lehnt an der Motorhaube und reckt sein Gesicht in die wenigen Sonnenstrahlen, die das dichte Dach der Bäume durchlässt. Ein Forstarbeiter hat dem Minister den Metalldetektor abgenommen und rasch das Eisen geortet. Zusammen mit seinem Kollegen misst er Dicke und Höhe einer danebenstehenden Buche. Schmidt lobt den „schönen Wuchs“ des Baums. Gerade am Vortag habe er mit der Kanzlerin über den Wald gesprochen, sagt er, und man wundert sich ein bisschen angesichts von IS-Terror und der diplomatischen Krise mit Russland über die Themensetzung der Kanzlerin.

Das vorhergesagte Waldsterben ist nicht eingetreten

Denn seit Jahren herrscht relative Ruhe im Wald. Anstatt zu sterben, wie in den 1980ern vorausgesagt, wuchs er sogar: In den alten Bundesländern verzeichneten die Trupps der zweiten Bundeswaldinventur, deren Ergebnisse 2004 veröffentlicht wurden, sagenhafte 39 Prozent mehr Holzvolumen gegenüber der ersten. Diesmal, bei der dritten, wurden noch einmal 190 000 Bäume mehr gezählt. Dagegen sind nur 100 000 der damals verzeichneten Bäume in der Zwischenzeit gefällt worden. Doch das positive Saldo deute nicht automatisch auf einen weiteren Anstieg des Holzvolumens, sagt Andreas Bolte, Chef des Thünen-Institutes, der mit dem CSU-Minister durch den Wald spaziert. Vielerorts seien in den vergangenen Jahren Eichen- und Buchensetzlinge unter die Nadelbäume gepflanzt worden, die nur dünne Stämmchen haben.

Der Klimawandel setzt den Bäumen zu

Deutschlands Wald wird umgebaut. Statt Fichten-Monokulturen, die anfällig sind bei trockenen Sommern und Sturm, sollen Mischwälder entstehen. Nicht mehr der saure Regen, sondern der Klimawandel setzt den Bäumen zu. Andreas Bolte hat in den 1980ern in Göttingen bei Bernhard Ulrich studiert, der als Erster das Waldsterben prognostizierte. Aus der Zeit habe er gelernt, sagt Bolte, „nicht jeden Alarmismus mitzumachen“. Dass es in Deutschland wärmer wird, ist aber auch für ihn Arbeitsgrundlage. „Für unsere Fichte brauchen wir längerfristig einen Ersatz“, sagt er. In einem sogenannten Trockenlabor haben sie hier in Eberswalde zwei Buchenarten angepflanzt. Das Labor sieht oberirdisch aus wie ein Zelt auf Schienen. Bei Regen wird es über die Buchenbäumchen gefahren, von denen einige aus der regenreichen Lüneburger Heide, andere aus dem trockeneren Posen stammen. Bislang sehe es tatsächlich so aus, sagt Bolte, als komme die polnische Art mit weniger Wasser aus.

Die Wälder wirken sich positiv auf die Klimabilanz ein

Für den Minister haben Boltes Mitarbeiter extra eine Grube gegraben. Solche Löcher wurden bei der Bodenzustandserhebung Wald, wie ein weiteres Thünen-Projekt heißt, überall in Deutschland ausgehoben. Schmidt ist zu einer Wissenschaftlerin des Institutes in die Grube gesprungen, um sich von ihr die Beschaffenheit des Untergrundes erklären zu lassen. Waldboden sei kohlenstoffreich, sagt die Wissenschaftlerin. Sie hätten sogar herausgefunden, dass die Wälder 300 Millionen Tonnen Kohlenstoff mehr speicherten als 1990 und positiv zu Deutschlands Klimabilanz beitrügen.

Die Familie des Ministers besitzt selbst ein Stück Wald

Von oben frotzelt ein Mann auf Bayerisch, offenbar ein Bekannter Schmidts: „Da schau her, der Herr Verteidigungspolitiker!“ Er spielt damit auf das verbreitete Ministerien-Hopping des politischen Spitzenpersonals an – Schmidt, CSU-Mitglied, war acht Jahre Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Der versucht, eine Brücke zu seiner alten Tätigkeit zu schlagen. Früher sei er für die Truppenübungsplätze der Bundeswehr zuständig gewesen. Die seien schließlich auch häufig bewaldet. Außerdem besäßen sie in der Familie ein kleines Stück Wald.

Bäume wachsen langsam

Auf dem weiteren Spaziergang kann Schmidt mit Revierförster Albrecht Opitz sogar fachsimpeln. „Was macht der Borkenkäfer?“, fragt er. „Keine Probleme bei uns“, antwortet Opitz, der mit einem dicken Buch unterm Arm in den Wald gekommen ist. Darin haben Förster seit über hundert Jahren die Bäume verzeichnet, die sie hier pflanzten. Dass der Wald inventarisiert wird, ist also nichts Neues. Einer der Ministerialbeamten lobt Opitz für den „schönen stufigen Aufbau“ seines Waldes. Das Lob gebühre seinem Vorgänger, wiegelt der ab. Förster sehen ihr Werk oft nicht mehr, Bäume wachsen zu langsam.

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