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Letzte Etappe. Im Oktober soll erstmals Gas durch die Ostsee-Pipeline strömen. Foto: ddp

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Wirtschaft: Lange Leitung

Auch die Finanzierung für zweiten Strang der Ostseepipeline steht. Den Verbrauchern bringt das wenig

Berlin - Der Pipeline-Bauherr versuchte, dem Moment ein wenig Pathos einzuhauchen. Es sei ihm eine große Ehre, sagte Matthias Warnig am Freitag im Berliner Hotel Adlon, gerade hier, am Brandenburger Tor, verkünden zu können, dass nun auch der Bau der zweiten Röhre der Ostsee-Pipeline finanziert sei. „Wir sind stolz“, fuhr er fort. „Es ist eines der größten Infrastrukturprojekte unserer Zeit.“

Es schien nicht gespielt. Warnig war offenbar tatsächlich bewegt. Als Geschäftsführer des Betreiberkonsortiums Nord Stream AG hatte der ehemalige Major beim DDR-Ministerium für Staatssicherheit und spätere Chef der russischen Dependance der Dresdner Bank das Milliardenprojekt fast von Beginn an begleitet. Vor knapp einem Jahr begannen die Bauarbeiten für den ersten Strang der Pipeline. Von den 1220 Kilometern Strecke durch die Ostsee fehlten am Freitag noch exakt 181 Kilometer, wie Warnig sagte. In zwei Monaten soll die erste Leitung ganz fertig sein. Es folgen Drucktests und Sicherheitsprüfungen. Anfang Oktober dann könne erstes Gas aus Russland nach Vorpommern strömen.

Schon bald kann auch der Bau des Parallelstrangs beginnen. Warnig teilte mit, dass Nord Stream dafür 2,5 Milliarden Euro – rund 70 Prozent der Summe – auf dem Kapitalmarkt gesichert habe. 24 Banken hätten sich daran beteiligt. Der Rest kommt von den Anteilseignern der Nord Stream AG: Das ist mit 51 Prozent der russische Gasmonopolist Gazprom; der deutsche Chemiekonzern BASF mit seiner Tochter Wintershall und die Eon Ruhrgas halten je 15,5, die niederländische Gasunie und GDF Suez aus Frankreich je neun Prozent.

Am Anfang der Planungen hatte Nord Stream die Kosten für den Bau beider Pipelinestränge noch auf gut vier Milliarden Euro beziffert. Kurz vor dem Baubeginn hob das Konsortium mit Sitz im steuergünstigen Schweizer Ort Zug die Prognose auf das Doppelte an: 7,6 Milliarden würden die Investitionskosten betragen. Inklusive der Zinsen für die Kredite während der dreijährigen Bauphase bis April 2012 steige der Gesamtfinanzierungsbedarf auf 8,8 Milliarden Euro, heißt es jetzt. Dabei soll es bleiben, machte Warnig am Freitag klar: „Wir liegen beim Bau und im Budget voll im Plan.“

Er betonte bei der Gelegenheit wieder, was für einen wichtigen Beitrag der Pipelinebau für die Versorgungssicherheit Westeuropas leiste und begrüßte, dass man das mittlerweile auch bei der EU- Kommission und in den  Mitgliedsländern erkannt habe, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen. Gemeint waren vor allem Polen, Schweden und die drei baltischen Staaten.

Im Vorkrisenjahr 2008 hatten alle Länder der EU rund 320 Milliarden Kubikmeter Gas importiert. Nord Stream verweist auf Prognosen der Internationalen Energieagentur IEA, wonach dieser Bedarf bis zum Jahr 2030 auf 500 Milliarden steigen könnte. Ihre Pipeline kann 55 Milliarden Kubikmeter befördern, genug Gas für rund 26 Millionen Haushalte.

Was Warnig nicht sagte: Die IEA-Experten schrieben in dem Bericht zugleich von einer „globalen Erdgasschwemme“, die deutlich länger anhalten könne, als von vielen erwartet. Hintergrund ist, dass mittlerweile nicht nur in den USA sehr viel „unkonventionelles Erdgas“ gefördert wird. So nennt man Vorkommen, die bisher technisch kaum zugänglich waren. Auch in Norddeutschland wird mittlerweile mit neuen Methoden nach Gas gesucht. Zudem drängt immer mehr verflüssigtes Gas auf den Markt, weshalb das Angebot über Jahre höher bleiben dürfte als die Nachfrage. Eigentlich müsste der Gaspreis also stark sinken. Davon merken vor allem Privatverbraucher in Deutschland aber nichts – auch, weil mit der neuen Pipeline Lieferkonditionen über viele Jahre festgeschrieben werden. Schließlich müssen die Nord-Stream-Eigentümer die knapp neun Milliarden Euro Kosten auch wieder reinholen.

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