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Künstler können mit ihren Werken (hier auf einer Messe in Berlin) erfolgreich sein oder nicht - ihre Arbeit erfüllt sie.

© dpa

Langzeitstudie: Künstler sind arm, aber glücklich

Menschen in künstlerischen Berufen arbeiten länger und verdienen weniger. Dafür sind sie zufriedener, stellen Wirtschaftsforscher erstaunt fest.

Berlin muss eine überdurchschnittlich glückliche Stadt sein. Sie hat den Ruf einer hippen Kulturmetropole und zieht junge Akademiker, Kreative und Künstler aus der ganzen Welt an. Und Kunst, egal ob sie brotlos ist oder nicht, macht glücklich. Das zeigt eine neue repräsentative Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Dienstag in Berlin vorstellte.

Künstler ziehen aus der Tätigkeit selbst einen viel größeren Nutzen als aus dem Geld, das sie damit verdienen“, sagte Lasse Steiner, einer der Autoren. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass Menschen in künstlerischen Berufen in hohem Maße selbstbestimmt arbeiten könnten. „Etwa 40 Prozent der Künstler sind selbstständig, in sonstigen Berufen ist es nur jeder Zehnte.“

Demnach spielt der Verdienst in dieser Berufsgruppe nur eine untergeordnete Rolle. Künstler haben im Schnitt ein geringeres Einkommen als andere Berufstätige, legen darauf aber auch nur halb so viel Wert. Lange Arbeitszeiten tragen eher zum Wohlbefinden bei, als dass sie sind ein Problem darstellen. „Künstler sind umso glücklicher mit ihrer Arbeit, je mehr Stunden sie wöchentlich arbeiten“, sagte Steiner weiter.

Für die Studie wurde eine repräsentative Befragung ausgewertet, die seit 1990 regelmäßig wiederholt wurde. Auf einer Skala von 0 bis zehn bewerteten die Befragten, wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit sind. Insgesamt 28.000 berufstätige Menschen nahmen teil, darunter mehr als 300 Künstler. „Das entspricht etwa einem Prozent und ist damit durchaus repräsentativ für die Gesamtbevölkerung“, erläuterte Steiner.

Fachleute zeigen sich vom Ergebnis der Untersuchung überrascht. „Es wundert mich, dass Künstler sich als die Glücklichsten herausstellen“, sagte Christiane Busch, Arbeitspsychologin an der Universität Hamburg. An sich sehe sich diese Berufsgruppe eher mit schlechten Bedingungen konfrontiert.

Zum einen sei es schwieriger als in anderen Berufen, seinen Lebensunterhalt vollständig damit zu verdienen. Zweit- und Drittjobs seien keine Ausnahme. Zum anderen erschwere die häufig notwendige zeitliche und räumliche Flexibilität das Leben außerhalb der Arbeit. „Es ist zum Beispiel nicht einfach, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.“

Eine DIW-Studie aus dem vergangenen Jahr bestätigt die Meinung der Wissenschaftlerin. Demnach trägt die hohe Zahl junger Kreativer zum schleppenden Abbau der Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt bei. Für sie „ist Berlin offenbar ein Magnet, auch wenn die Beschäftigungsmöglichkeiten (noch) unzureichend sind“.

Steiner jedoch glaubt nicht daran, dass fehlende Stellen ein Dämpfer für das Glück sind. Die Tätigkeit selbst mache die Künstler glücklich. Für die aktuelle Studie seien zwar nur hauptberuflich tätige Künstler befragt worden. „Man kann jedoch davon ausgehen, dass Künstler auch dann glücklich sind, wenn sie nicht von ihrer Arbeit leben können.“ Andere Studien hätten dies bereits belegt.

Unglücklich arbeiten kann krank machen

Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn erkennt in den Ergebnissen der Untersuchung eine allgemeine Entwicklung. „Selbstbestimmung und Autonomie am Arbeitsplatz steigern die Zufriedenheit“, sagte er. „In der heutigen Zeit verbinden die Menschen mehr mit ihrem Beruf als das bloße Geldverdienen.“ Viele Unternehmen hätten dies erkannt und ihre Arbeitsbedingungen angepasst. Als Beispiel nannte er die Projektarbeit, die es Arbeitgebern ermögliche, Ziele zu definieren und Fristen zu setzen. Wie Arbeitnehmer diese Ziele erreichten, bleibe dann weitgehend ihnen überlassen.

Bei einem solchen Akt der Freiheit und des Vertrauens geht es aber nicht nur um den Wunsch der Betriebe, ihren Mitarbeitern etwas Gutes zu tun. Rund ein Drittel der Frühverrentungen geht inzwischen auf psychische Erkrankungen zurück. Fast jeder zehnte Versicherte beklage, dass er für seine Arbeit zu wenig Anerkennung erfahre, warnt die Krankenkasse DAK in ihrem aktuellen Gesundheitsreport. Ursache für diese Unzufriedenheit können laut der Studie sowohl Zeitdruck als auch eine zu hohe Arbeitsbelastung sein. Zusätzlich könne sich das Risiko eines Herzinfarktes mehr als verdoppeln.

Ohnehin habe eine Vielzahl körperlicher Gebrechen ihre Ursache im geistigen Stress. „Betriebliches Gesundheitsmanagement und eine vernünftige Teamentwicklung sind deshalb unerlässlich“, sagte Arbeitspsychologin Busch. „Arbeitgeber werden daran nicht mehr vorbeikommen.“ Das fange schon bei jungen Beschäftigten an.

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