zum Hauptinhalt
Alles sauber? Rund 80 Lebensmittelkontrolleure gibt es in Berlin.

© ddp

Lebensmittelkontrolle: Neuer Anlauf für die Restaurant-Ampel

Bei der Verbraucherministerkonferenz in Bremen wird erneut versucht einen bundesweiten Rechtsrahmen bezüglich der Lebensmittelkontrolle zu erstellen. Ein Berliner Pilot–Projekt stößt jedoch bereits jetzt an seine Grenzen.

Berlin - Je schwieriger das Gespräch, desto wichtiger ist die Wahl des Ortes. Das dürfte sich auch Bremens Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) gedacht haben, als sie ihre Ministerkollegen aus den anderen Bundesländern und Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) für Donnerstagabend zum Kamingespräch gebeten hat. Vor dem Feuer, in gemütlichem Ambiente will die Bremer Senatorin, die derzeit den Vorsitz in der Verbraucherministerkonferenz hat, endlich den Weg frei machen für eine bundesweit einheitliche Kennzeichnung der Hygienestandards in Restaurants. Doch die Zeichen stehen eher auf Sturm als auf Harmonie.

Dabei hatten sich die Länder eigentlich schon auf ein Kontrollbarometer in den Ampelfarben rot, gelb und grün geeinigt, das die Prüfergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolleure anzeigen sollte. Ab 2012 sollte das Barometer in allen Restaurants ausgehängt werden. Doch vor wenigen Wochen widersprachen die Wirtschaftsminister aus Rücksicht auf die Gastronomie der neuen Kennzeichnung, seitdem ist alles wieder offen.

Die SPD-regierten Länder wollen nach Tagesspiegel-Informationen nun Aigner in die Pflicht nehmen. Sie drängen auf einen Gesetzentwurf des Verbraucherministeriums und wollen mit den Grünen und der Linken gemeinsame Sache machen. Auch vor einem Eklat scheuen sie nicht zurück. Und der ist sehr wahrscheinlich. „Solange die für die Umsetzung zuständigen Länder sich widersprechende Beschlüsse fassen und die Wirtschafts- und Verbraucherminister keine einheitliche Position finden, kann der Bund nur schwer einen bundesweiten Rechtsrahmen festlegen, der dann auch in der Praxis Bestand hat“, sagte Aigners Sprecher Holger Eichele dem Tagesspiegel.

In Bremen hofft man dennoch auf einen Durchbruch. Zwei Tage dauert die Verbraucherministerkonferenz, das Kamingespräch findet am Abend des ersten Konferenztages statt. „Wir sind alle voll gespannt“, sagt Karla Götz, Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin. Auch auf eine Nachtschicht ist man in der Hansestadt eingestellt. Sollten sich die Minister einigen, könne man noch in der Nacht eine Beschlussvorlage erarbeiten, die dann am Freitag verabschiedet werden könnte.

Lesen Sie weiter: Berliner Pilot–Projekt erfreut sich großer Beliebtheit bei Verbrauchern. Warum Insider trotzdem Kritik üben.

Doch immer mehr Bundesländer denken bereits über regionale Vorstöße nach. Den Anfang hat Berlin bereits gemacht. Seit dem 22. August kann man im Internet (www.berlin.de/sicher-essen) nachlesen, wie Restaurants bei den Lebensmittelkontrollen abgeschnitten haben. 93 Betriebe sind derzeit aufgelistet, jeden Montag kommen neue hinzu. Auch Friedrichshain-Kreuzberg, dessen Bezirksstadtrat sich am Anfang gesträubt hatte, macht jetzt mit. Die Seite trifft offensichtlich den Nerv der Verbraucher. Mehr als 107 000 Mal wurde das Portal im August angeklickt, einen Monat zuvor hatte die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz gerade einmal 4843 Zugriffe verzeichnet. „In der ersten Septemberwoche hatten wir wieder 23 000 Klicks“, berichtet Regina Kneiding, Sprecherin von Berlins Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linke).

Doch während Lompscher mit ihrem neuen Portal zufrieden ist, wächst an anderer Stelle die Kritik. „Es reicht schon, wenn die Köche Uhren tragen, die Buffetdame den Ehering nicht ablegt und der Wirt drei Tage lang keinen Putzplan geführt hat“, ärgert sich Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Gaststättenverbands Dehoga in Berlin. Wer solche Verstöße begehe, könne einen vorderen Platz im Kontrollbarometer vergessen. „Aber die Leute wissen das nicht.“

Hinzu kommt: Wer ein schlechtes Urteil bekommen hat, muss oft jahrelang warten, bis er erneut getestet wird. Denn die Lebensmittelkontrolleure arbeiten nach einem Rhythmus, der sich danach bemisst, wie hoch das mit dem Betrieb verbundene Gesundheitsrisiko ist. Das führt zu paradoxen Ergebnissen: Stellen die Kontrolleure in einem Betrieb schwere hygienische Mängel fest, kommen die amtlichen Prüfer zeitnah wieder zur Inspektion. Schlampt ein Betrieb dagegen nur bei der Bürokratie, kann es lange dauern, bis der Wirt die Chance bekommt, sein Urteil zu verbessern.

Auch Insider haben Bedenken. Zeitnahe Kontrollen seien wegen des fehlenden Personals nicht möglich, sagt Rita Ehmig, Vizechefin des Landesverbandes der Lebensmittelkontrolleure Berlin- Brandenburg. „Wir kommen überhaupt nicht hinterher.“ 76 Lebensmittelkontrolleure gebe es in Berlin, Auszubildende eingerechnet. Auf 83 Prüfer kommt dagegen die Senatsverwaltung – für 55 000 Lebensmittel verarbeitende Betriebe. Ob 76 oder 83, verglichen mit Dänemark, das als Vorreiter bei der Restaurantkennzeichnung gilt, ist das wenig. Dort gibt es zwar nur 44 000 Betriebe, aber 325 Kontrolleure.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false