zum Hauptinhalt
Die Lebensversicherer leiden unter dem niedrigen Zinsniveau.

© fotolia

Lebensversicherungen: Konzerne streichen Garantiezins zusammen

Weil die Zinsen sinken, stellen die Lebensversicherer ihr Geschäftsmodell um - und versprechen weniger Rendite.

Das Garantiemodell in der klassischen Lebensversicherung wackelt. Ab Juli wird die Ergo, Deutschlands drittgrößter Erstversicherer, eine Police anbieten, die auf die verbindliche Verzinsung von derzeit 1,75 Prozent verzichtet. Garantiert werden nur noch die eingezahlten Beiträge, nicht aber eine Rendite. Auch die Allianz und die Axa haben neue Konzepte mit abgespeckten Garantien in der Schublade. Der Hintergrund: Die Niedrigzinsen machen es den Anbietern immer schwerer, Zinsgarantien zu erwirtschaften, die teilweise lebenslang gelten.

Die alten, klassischen Lebensversicherungen mit Rundum-Garantie soll es aber weiter geben. Denn ob der traditionell stark sicherheitsorientierte deutsche Kunde darauf vertrauen wird, dass reduzierte Garantien am Ende zu mehr Renditen führen können, bleibt unklar (siehe Kasten). Damit jedoch ködern die Versicherer. Das neue Produkt „Ergo Rente Garantie“ etwa soll Sicherheit, Flexibilität und Rendite „moderner“ verbinden, verspricht das Unternehmen.

Der Versicherer, der zum Konzernverbund der Munich Re gehört und 2012 in seiner Lebensversicherungssparte ins Minus gerutscht ist, werde das eingezahlte Geld der Anleger in drei Teile splitten, erklärt Firmensprecher Robert Hirmer. Ein Teil fließe an die Geldmärkte mit ihren variablen Zinsen, ein zweiter Teil gehe in rentablere Papiere an Aktien- und Rentenmärkten, ein dritter in eine Sicherungskomponente – für den Fall, dass es an den Kapitalmärkten nicht rund läuft. Bis zu 40 Prozent des Geldes könnten dann in Aktien investiert sein. Umgekehrt sinken die Kosten, denn die Beitragsgarantie gilt erst ab 15 Jahren Vertragslaufzeit, die sonst übliche lebenslange Zinsgarantie und die Garantie von Rückkaufwerten entfallen ganz. Neu ist auch: Die Sicherungskomponente wird als eigener Wert gerechnet, dessen – veränderliche – Höhe der Kunde erfährt und die dem Guthaben teilweise zugeschlagen wird.

Bei klassischen Lebensversicherungen weiß der Kunde hingegen letztlich nicht, was ihn die Absicherung der Garantie kostet. Die Versicherer sind zudem wegen der Dekaden in die Zukunft reichenden Verpflichtungen gezwungen, den Löwenanteil der Kundengelder extrem vorsichtig und damit in risikoarmen Papieren anzulegen. Allerdings liefern diese Papiere – vor allem Pfandbriefe und Anleihen mit sehr guter Bonität – derzeit oft nicht einmal den Garantiezins von 1,75 Prozent. Der deutsche Staat etwa zahlt Investoren, die ihm zehn Jahre lang Geld leihen, im Moment nur gut 1,5 Prozent pro Jahr. Die Geldmärkte werfen noch deutlich weniger ab. Hinzu kommt, dass Versicherer garantierte Leistungen mit sehr viel Eigenkapital hinterlegen müssen.

Auch die Allianz arbeitet an neuen Konzepten. Verraten will Deutschlands größter Versicherer jedoch erst am 5. Juli Konkretes – mit einer Ausnahme: „Den Garantiezins wird es bei dem neuen Produkt so nicht mehr geben“, sagt Unternehmenssprecher Udo Rössler. Durchgesickert ist zudem, dass die neue Lebensversicherung wohl eine Art gesplittete Garantie bieten wird, die die Allianz für Spar- und Rentenphase separat berechnet.

Der Versicherer verspricht dem Kunden bei Vertragsabschluss eine Mindestrente, die sich aus den eingezahlten Beiträgen ergibt, von denen die Kosten abgezogen werden. Wie hoch sie de facto sein wird, ist jedoch erst nach dem Ende der Ansparphase klar und hängt vom Anlageerfolg der Versicherung einerseits und vom Zinsniveau in der Zukunft andererseits ab. Erst dann weiß der Anleger, ob es sich für ihn gelohnt hat, auf Vertrauen statt auf Garantie zu setzen. Die Allianz verspricht, die gesunkenen Garantiekosten voll an die Kunden durchzureichen. Verbraucherschützer halten den Wert der Garantie jedoch für stark überschätzt. Denn eine Garantie der eingezahlten Beiträge erzielt letztlich auch, wer sein Geld zu Hause im Safe lagert. „Eine Nominalwertgarantie hilft gar nichts, sie kostet nur viel Geld“, kritisiert Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Dass die eingezahlten Sparbeiträge eben nach 30 oder 40 Jahren, je nach Höhe der Inflation, kaum 50 Prozent der Kaufkraft von heute besitzen, vergessen viele.

Zudem: Eine privatrechtliche Garantie, weiß der Verbraucherschützer, „ist nicht wirklich verlässlich“. Es werde eine Sicherheit suggeriert, die gar nicht vorhanden sei. Kein Mensch könne einem versicherten Neugeborenen über 65 Jahre ernsthaft garantieren, dass es mit Sicherheit einen bestimmten Zins für sechseinhalb Dekaden erhalten werde. Wertvoll sei eine Garantie aus Sicht des Verbrauchers auch nur, sagt Nauhauser, wenn sie dauerhaft über jenen Sätzen liege, die risikoarme Anlagen an den Kapitalmärkten erlauben. Im Moment ist dies der Fall, denn europäische Staatsanleihen mit Höchstbonität liefern geringere Erträge als die klassische Lebensversicherung mit ihrem Garantiezins.

Doch genau dies sei das Problem der Versicherer: Derzeit profitieren sie noch von alten, langlaufenden Anleihen mit hohen Zinskupons. Doch die jährlich neu festgelegten Überschussbeteiligungen sinken immer weiter. So hat die Allianz ihre Gesamtverzinsung für 2013 von vier auf 3,6 Prozent reduziert, die Ergo zahlt nur noch 3,55 Prozent. Gleichzeitig haben aber alle Lebensversicherer noch Kunden in ihren Karteien, denen sie zwischen 1994 und 2000 einen Garantiezins von vier Prozent versprochen haben – und diesen nun lebenslang liefern müssen.

Nun setzt die Branche auf einen Befreiungsschlag. Die Allianz rechnet damit, dass die Renditen des neuen Produkts „signifikant“ über jenen der bisherigen klassischen Versicherung liegen könnten. Von der Ergo ist zu hören, dass die Ablaufleistungen der Lebensversicherung ohne Garantiezins bei optimal laufenden Märkten auch 50 Prozent über den Ergebnissen der klassischen Variante liegen könnten. Allerdings: Ähnliches haben die Anbieter auch schon für Riester-Papiere versprochen – und bisher nicht eingelöst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false