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Wirtschaft: Lehrlinge müssen auf die lange Bank Umlage für Firmen landet im Vermittlungsausschuss. Was ist die betriebliche Ausbildung wirklich wert?

Berlin - Der Bundesrat hat am Freitag mit den Stimmen der Union und einiger SPD-Länder die Ausbildungsplatzabgabe in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, die Abgabe zu verschieben.

Berlin - Der Bundesrat hat am Freitag mit den Stimmen der Union und einiger SPD-Länder die Ausbildungsplatzabgabe in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, die Abgabe zu verschieben. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte, dass die Aussicht gut sei, in Kürze zu einer verbindlichen Zusage der Wirtschaft über neue Ausbildungsplätze zu kommen. Die Gewerkschaften bezeichneten die Entscheidung als „schallende Ohrfeige“ für die Auszubildenden.

SPD und Grüne hatten erst vor wenigen Wochen beschlossen, Unternehmen, deren Ausbildungsquote unter sieben Prozent liegt, zu einer Abgabe zu verpflichten. Grund ist die dramatische Lehrstellenlücke, die in den vergangenen Jahren trotz aller Versprechen der Wirtschaft gewachsen ist. In den letzten Tagen hatte es allerdings deutliche Signale in der SPD gegeben, dass man auf die Abgabe verzichten werde, wenn es eine verbindliche Ausbildungsplatzgarantie der Wirtschaft gebe.

Einig sind sich alle Beteiligten, dass in Zukunft deutlich mehr Ausbildungsplätze her müssen. Denn: In den kommenden drei Jahren wird die Zahl der Jugendlichen, die die Schulen verlassen, noch einmal drastisch ansteigen – bevor sie dann aus demographischen Gründen dauerhaft sinkt. Dann werden den Unternehmen ausgebildete Fachkräfte fehlen, argumentieren die Regierungspolitiker – weshalb die Unternehmen jetzt in die Pflicht genommen werden sollen. In Betrieben ausgebildete Jugendliche hätten auf dem Arbeitsmarkt deutlich bessere Chancen als solche, die ihre Berufsausbildung in staatlichen Schulen absolvieren müssten.

Genau das aber ist in der Arbeitsmarktforschung inzwischen heiß umstritten: Europäische Vergleichsstudien zeigen, dass deutsche Jugendliche zwar nach der Ausbildung im Unternehmen schneller einen Job finden. Doch nach ein paar Jahren kehrt sich dieser Erfolg in sein Gegenteil um: Dann nämlich zeigt sich, dass diese Jugendlichen auf Veränderungen unflexibler reagieren als solche, die eine überbetriebliche Ausbildung gemacht haben: Die sind nämlich schneller bereit, eine andere Arbeit an einem anderen Ort anzunehmen – und deshalb langfristig auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher.

Das deutsche duale Berufsausbildungssystem hat eine Jahrhunderte alte Tradition. Bis heute gilt es hierzulande neben einem Hochschulstudium als der beste Weg in den Beruf, der nur Gutes birgt: Die Auszubildenden verdienen ihr erstes Geld, lernen, was im Betrieb gebraucht wird und können nach der Ausbildung oft in der Firma bleiben. Diese Vorteile bestätigen sich auf den ersten Blick durch die vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosenquote von um die zehn Prozent. Im europäischen Durchschnitt sind rund 15 Prozent der Jugendlichen arbeitslos.

Doch die Betriebe ziehen sich zurück – Auszubilden ist ihnen zu teuer und zu lästig. Die Konsequenz: Viele Jugendliche werden in immer neue Warteschleifen geschoben. Das Durchschnittsabschlussalter der betrieblich Ausgebildeten liegt inzwischen bei 23 Jahren.

In Schweden ist das anders. Dort lernen fast alle Jugendlichen ihren Beruf in einer staatlichen Schule. Nachteil: Die Übergangsarbeitslosigkeit von der Schule in den Beruf ist höher als in Deutschland. Der Vorteil: Während in Deutschland die Arbeitnehmer beim Jobwechsel im gleichen Beruf bleiben wollen, sind in Schweden die Hürden geringer, in einen anderen Beruf zu wechseln. Das fanden Arbeitsmarktforscher des Max-Planck-Instituts heraus.

Die Engländer setzen bei der Ausbildung vor allem auf Tempo. Jugendliche ohne Job müssen an staatlichen Bildungsmaßnahmen teilnehmen, sonst gibt es keine Unterstützung mehr. Dadurch ist ein System von einzelnen Ausbildungsbausteinen entstanden, die von Arbeitgebern und vom Staat angeboten und gegenseitig anerkannt werden. Am Ende steht meist die erfolgreiche Integration in den Beruf: Zwar ist die Jugendarbeitslosigkeit insgesamt höher als in Deutschland, aber binnen fünf Jahren finden die meisten eine Arbeit. Spätestens als Erwachsene haben fast alle einen Job. Dann liegt die Arbeitslosigkeit nur noch bei 4,9 Prozent.

Für Deutschland gehen die Arbeitsmarktforscher von ähnlichen Ergebnissen aus. Nur, dass die Politiker davon kaum noch lernen werden: Die erste Studie soll erst Ende des Jahres fertig sein. Bis dahin dürfen alle behaupten, dass die betriebliche Ausbildung besser ist.

Friederike Ludewig

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