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Wirtschaft: Leiser, sparsamer – und mehr Platz

Airbus stellt seinen Mega-Jumbo für etwa 800 Passagiere vor. 2006 wird es die ersten Linienflüge geben

Das größte Passagierflugzeug der Welt kommt bisher aus den USA. Aber das ändert sich am kommenden Dienstag. Dann wird der europäische Flugzeugbauer Airbus den neuen A380 vorstellen – und eine ganz neue Maschinenklasse einführen.

DIE DIMENSIONEN

Eine einzige Tragfläche des A380 ist mit 36 Metern länger als das kleinste Airbus-Modell A318. Die Spannweite von 79,7 Metern entspricht der Breite des Internationalen Congress Centrums (ICC) in Berlin. Auf der Gesamtflügelfläche von 845 Quadratmetern ließen sich drei Tennisplätze unterbringen. Das Leitwerk ist mit 24,1 Metern so hoch wie ein achtgeschossiges Gebäude. Das maximale Startgewicht beträgt 560 Tonnen, für die 2008 folgende Frachtversion sogar 590 Tonnen, bei einer Zuladung von 150 Tonnen, was der rund zehnfachen Kapazität eines „Skymaster-Rosinenbombers“ aus der Luftbrücke entspricht.

DIE INNOVATIONEN

Der A380 ist nur noch halb so laut wie die Boeing 747 und verbraucht nur noch 2,9 Liter Kerosin pro Passagier auf 100 Kilometern. Denn durch den Gebrauch neuer Werkstoffe ist die Maschine viel leichter als ihre Vorgängermodelle. „Es mussten mehr als zehn Prozent gespart werden – also forschten wir solange weiter, bis die Maschinen noch weniger Treibstoff verbrauchten, noch leichter und einfacher zu warten waren – und 15 Prozent billiger pro Passagier“, sagt Marketingleiter Richard Carcaillet.

DIE KOSTEN

Auch die rund zehn Milliarden Euro Entwicklungskosten – zu einem Drittel durch Kredite der Airbus-Nationen finanziert – sind ein Superlativ. Erst kürzlich hatte Rainer Hertrich, der Vorstandschef des Airbus-Haupteigners EADS, Mehrkosten von 1,45 Milliarden Euro eingeräumt. Materialänderungen waren notwendig, weil die Maschine zu schwer zu werden drohte. Die Einhaltung des engen Zeitplans forderte ebenfalls ihren Preis.

DIE BESTELLUNGEN

Bisher haben 13 Fluggesellschaften und eine Leasingfirma insgesamt 149 Exemplare des rund 280 Millionen Euro teuren Jets bestellt, wobei der endgültige Preis allerdings Verhandlungssache ist. Die Kunden: Emirates (43), Lufthansa (15), Qantas (12), Air France (10), FedEx (10), International Lease Finance Corporation (10), Singapore Airlines (10), UPS (10), Malaysia Airlines (6), Thai Airways (6 Absichtserklärungen), Virgin Atlantic (6), Korean Air (5), Etihad Airways (4 Absichtserklärungen), Qatar Airways (2). Airbus erwartet den endgültigen Durchbruch, wenn die ersten A380 im Frühjahr 2006 ausgeliefert werden. Unternehmenschef Noel Forgeard sieht die Gewinnschwelle bei 250 verkauften Flugzeugen.

DER ERSTFLUG

Der erste Flug des A380 ist für Ende März vorgesehen, ein Jahr später soll die Zulassung erfolgen. Vier Maschinen dienen der Flugerprobung. Zwei weitere werden nie in die Luft gehen, sondern am Boden Belastungstests unterzogen. Der Einsatz des A380 wird sich auf wenige Rennstrecken mit hoher Passagierauslastung konzentrieren. Erstkunde Singapore Airlines wird damit im Frühjahr 2006 zunächst nach London düsen. Die Lufthansa, die ihren ersten Mega-Jet erst 2007 erhält, untersucht gegenwärtig 17 potenzielle Ziele ab Frankfurt oder München in die USA und nach Fernost, Indien und Südafrika.

DIE FLUGHÄFEN

Für die Flughäfen bedeutet das neue Großraumflugzeug eine Herausforderung, aber zugleich auch eine Entlastung durch mehr Passagiere bei gleicher Flugzahl. Um Rollwege und Abfertigungspositionen den neuen Dimensionen anzupassen, müssen allein die Betreiber von 40 befragten Airports rund 2,3 Milliarden Dollar investieren, so der Dachverband ACI. Die Airlines erwarten beispielsweise, dass es auch Fluggastbrücken zu den Türen im Oberdeck gibt. Nur so lässt sich die Zeit zwischen Landung und Start auf wirtschaftliche 90 Minuten begrenzen, sagt Joachim Schneider, Leiter des A380-Einführungsmanagements bei der Lufthansa. Während alle asiatischen Flughäfen rechtzeitig fit für den Mega-Jet sein werden, sieht er an einigen amerikanischen Airports noch Handlungsbedarf. In Deutschland sind Frankfurt und München bereit für den A380.

DIE LOGISTIK

Der Bau des A380 stellt eine gewaltige logistische Herausforderung dar. In Hamburg werden Vorder- und Hinterrumpf gebaut. Mittelstück und Cockpit entstehen in Frankreich, die Tragflächen in England, das Heck in Spanien. Dazu kommen rund 100 Hauptzulieferer sowie unzählige Unterlieferanten. So entstehen die Bedienelemente für die erstmals bei einem Verkehrsflugzeug elektrisch gesteuerten Türen sowie die Kabinentelefone bei der Firma Holmberg im Berliner Bezirk Kreuzberg. Per Tieflader, Schiff und den riesigen Beluga-Transportflugzeugen werden die Bauteile zur Endmontage nach Toulouse gebracht. Die Maschinen werden dann zur Lackierung und Innenausstattung nach Hamburg geflogen. Die Kundenübergabe erfolgt wieder in Frankreich, weil sich der Bau des Auslieferungszentrums in der Hansestadt durch den Streit um die Landebahnverlängerung am Werksflugplatz Finkenwerder bis Mitte 2007 verzögert.

DER PLATZ

Gab es bei der Boeing 747 schon eine mehrfach verlängerte zweite Etage, verfügt der A380 als erster Verkehrsjet über ein durchgehendes „Dachgeschoss“. Die beiden Etagen sind durch zwei Treppen im Bug und im Heck miteinander verbunden. So gibt es im Vergleich zum klassischen Jumbo 50 Prozent mehr Platz. Wie sich das auf die Platzverhältnisse für die Passagiere auswirkt, hängt allerdings davon ab, wie die Fluggesellschaften die Maschinen ausstatten. Sicher ist nur, dass die Economy-Class-Passagiere mehr Platz in der Breite bekommen, weil Airbus zehn anstatt elf Sitze einbaut. Wie dicht die Sitzreihen dann beieinander stehen, entscheiden die Airlines. Bei den asiatischen Fluggesellschaften gehen Boeing und Airbus davon aus, dass das ganze Flugzeug nur als Economy-Class ausgestattet sein wird, um so mehr als 800 Passagiere unterbringen zu können. Die Lufthansa will allerdings drei Klassen einbauen – mit Platz für 555 Menschen.

DIE KABINE

Wie luxuriös es theoretisch im neuen A380 aussehen könnte, zeigt Airbus in einer Kabinenattrappe in Toulouse. Von der geräumigen Bar reicht das Angebot bis zum Duty-Free-Shop. Eine Kabinenbeleuchtung, die sich der Tageszeit anpasst, Sternenhimmel inklusive, und eine sprudelnde Wassersäule an der hinteren Wendeltreppe. Aber: Alles nur Ideen, betont Marketingdirektor Richard Carcaillet. Die Fluggesellschaft entscheidet letztlich allein, wie gut sie ihre Maschine ausstattet. Da die meisten Passagiere Wert darauf legen, preiswert zu fliegen, dürfte der große Luxus als Standard ausbleiben. Doch der große Platz biete „viele interessante Möglichkeiten, das Angebot für unsere Passagiere zu verbessern“, heißt es bei Singapore Airlines. Dazu wurden sogar Kunden-Workshops veranstaltet. „Wir werden neue Standards im Bereich der gehobenen Luftfahrt setzen und dem Reiseerlebnis mehr Romantik geben“, heißt es. Dafür will man sich auf „weniger als 500“ Sitze beschränken. Mehr Details werden nicht verraten, auch bei allen anderen Kunden ist die Ausstattung aus Konkurrenzgründen „Top-Secret“. Nur von Virgin Atlantic ist die Kunde vom ersten fliegenden Doppelbett durchgesickert.

Rainer W. During, Flora Wisdorff

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