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Wirtschaft: Leo, Lederhose und Landesbankkredite

Explosive Kirch-MischungTransparenz war nie ein Markenzeichen der Kirch-Gruppe. Kaum jemand hat bislang alle Beteiligungen und Verbindungen durchschaut, die den Medienkonzern des 75-jährigen "Filmhändlers" Leo Kirch zusammenhalten.

Explosive Kirch-Mischung

Transparenz war nie ein Markenzeichen der Kirch-Gruppe. Kaum jemand hat bislang alle Beteiligungen und Verbindungen durchschaut, die den Medienkonzern des 75-jährigen "Filmhändlers" Leo Kirch zusammenhalten. Wirtschaftliche und politische Macht - die hat man ihm dennoch immer zugesprochen. Eine Mischung, die für Edmund Stoiber im Laufe des Wahljahres 2002 explosiv werden könnte. Kirch und Stoiber verbindet viel. Der Ministerpräsident hat sich für den Unternehmer stark gemacht, weil dieser dem Wirtschaftsstandort Bayern medienpolitisches Profil verliehen hat. Finanziell untermauert wurde die enge Bindung an den Freistaat mit Krediten aus der Landesbank-Kasse: Insgesamt sollen es 2,3 Milliarden Euro sein, mit denen Kirch bei der BayernLB in der Kreide steht. "Ich habe kein Geld, ich habe Schulden", sagte Kirch im vergangenen Jahr anlässlich seines 75. Geburtstags. Die Koketterie könnte bald bitterer Ernst werden, wenn Kirch diese Schulden bedienen muss. Insgesamt rund sechs Milliarden Euro schuldet er den Banken. Knapp 500 Millionen Euro stehen dem Vernehmen nach bei der Münchener Hypo-Vereinsbank in den Büchern, 700 Millionen bei der Deutschen Bank. Glaubt man Branchenbeobachtern, fällt der größten deutschen Bank eine Schlüsselrolle im Kirch-Poker zu. Ist doch ein großer Teil des 40-Prozent-Anteils, den Kirch am Axel-Springer-Verlag hält, an die Deutsche Bank verpfändet. Kommt es im jüngst ausgebrochenen Streit mit Springer um die Verkaufsoption für ein Pro Sieben Sat 1-Aktienpaket tatsächlich zum Showdown, könnte Kirch gezwungen sein, seinen Springer-Anteil zu verkaufen. Der Deutschen Bank fiele das lukrative Geschäft in den Schoß, einen neuen Investor zu suchen und an Springer zu vermitteln. "Ein Mega-Geschäft", sagt ein Banker. Doch Kirch - und Stoiber - wären noch lange nicht aus dem Schneider. Weitere finanzielle Risiken drohen aus dem Optionsgeschäft mit dem Medienunternehmer Rupert Murdoch, der im Laufe des Jahres seinen 22-Prozent-Anteil an Premiere für rund 1,7 Milliarden Euro zurückgeben kann. Murdoch hält sogar eine Insolvenz von Kirch nicht mehr für ausgeschlossen. Für diesen Fall kündigte er rechtliche Schritte an, um an sein Geld zu kommen. Bricht Kirch zusammen oder übernimmt Murdoch die Macht, verlöre auch Stoiber Einfluss auf das Medienimperium.

Wahl-Bewertung: Kirch könnte zum größten Risiko für Edmund Stoibers Wahlkampf werden. Werner Schmidt, Chef der Landesbank, gilt nicht als Kirch-Freund. Eine zusätzliche Gefahr für den Kanzlerkandidaten. Selbst eine Rettung ließe sich nicht medienwirksam inszenieren, da Kirch kein Sympathieträger ist. mot

Schneider ohne Signal

Im bayerischen Türkheim stehen rund 800 Mitarbeiter des TV-Herstellers Schneider Technologies AG vor der Arbeitslosigkeit. Und die weiß-blaue Staatsregierung tut nichts. Das ist überraschend. Denn sonst sind Edmund Stoiber und sein Wirtschaftsminister Otto Wiesheu nicht zurückhaltend, wenn es um die Stützung maroder Unternehmen geht. Die Allgäuer Traditionsfirma hat Insolvenz angemeldet. Politische Rettungssignale gibt es nicht. Entgegen früherer Absprachen habe Schneider zuletzt Personal aufgebaut, den Umsatz nach oben getrieben, aber das Ergebnis nicht verbessert, rügte Wiesheu. 1998 hatte er schon einmal eine Investorengruppe vermittelt, die das Ruder herumreißen sollte. Die darin engagierte Landesanstalt für Aufbaufinanzierung, die als staatliches Förderinstitut des Freistaats fungiert, übernahm knapp ein Fünftel der Schneider-Anteile und verpasste dem Pleitekandidaten mit anderen Banken eine Finanzspritze. Staatlich gefördert wurde mit 8,7 Millionen Euro zudem das von Schneider erfundene Laserfernsehen. Schneider fand allerdings keinen Vertriebspartner.

Wahl-Bewertung: Ob die Zurückhaltung ein Paradigmenwechsel in Stoibers Wirtschaftspolitik oder Schneider nur ein Einzelfall ist, wird das Wahljahr zeigen. tmh

Grundig fällt

Dass politische Schützenhilfe für marode Unternehmen auch in Bayern kein Erfolgsgarant ist, zeigt das Beispiel Grundig. Beim Nürnberger Unterhaltungselektronikkonzern haben zahlreiche Interventionen nicht verhindern können, dass sich der Mittelständler vom Standort Deutschland weitgehend verabschiedet hat. Anfang 2001 stand dem seit 1997 von chronischen Existenzängsten geplagten Traditionsunternehmen das Wasser bis zum Hals. Auf politische Vermittlung wurde bei Banken dann in letzter Minute ein 200 Millionen Euro-Kreditrahmen gesichert. Damit finanziert Grundig eine weitere Sanierungsrunde, die in Bayern nur noch eine Restproduktion mit 400 Mitarbeitern übrig lässt. Die Produktion von TV-Geräten wurde nach Österreich verlagert. Andernfalls hätte das Aus für den Gesamtkonzern gedroht. Ob den Nürnbergern dieses Schicksal erspart bleibt, ist noch nicht entschieden. Weiter fehlt ein strategischer Partner, der bis Mitte 2002 präsentiert werden soll. Schwarze Zahlen sind erst für 2003 angekündigt. Stoiber konnte den Niedergang von Grundig nicht verhindern. Für den Unternehmensberater Jürgen Kluge, Chef von McKinsey, ist Grundig ein "Sündenfall".

Wahl-Bewertung: Für das Wahljahr zeichnet sich für Stoiber bei Grundig kein Handlungsbedarf ab. tmh

mot

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