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Wirtschaft: Lidl will noch mehr Geld im Ausland verdienen

Konzernchef Klaus Gehrig über Expansionspläne, neue Arbeitsplätze und die Vorwürfe der Gewerkschaft Verdi

Düsseldorf - Die Discountkette Lidl setzt ihre rasante Auslandsexpansion fort. „2005 starten wir in Dänemark und Kroatien“, sagte Klaus Gehrig, Konzernchef des Familienunternehmens, dem „Handelsblatt“. Gehrig trifft gleichzeitig als Komplementär in der Konzerndachgesellschaft Schwarz Unternehmens-Treuhand die Entscheidungen und ist damit designierter Nachfolger von Unternehmensgründer Dieter Schwarz. „Wir wachsen im Ausland wesentlich schneller als auf dem Heimatmarkt“, erklärte Gehrig seine Expansionspläne. Inzwischen erziele der Handelskonzern mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes im Ausland. Lidl sei mittlerweile in 19 Ländern aktiv, und jedes Jahr sollten etwa zwei neue Länder hinzukommen. In Deutschland wachse der Discounter nur durch Neueröffnungen und büße auf vergleichbarer Fläche Erlöse ein. Branchenexperten sagen, in Deutschland stoßen die Discounter – die im Lebensmittelhandel einen Marktanteil von rund 40 Prozent haben – jetzt an ihre Wachstumsgrenzen.

Lidl hat in Deutschland aber nicht nur mit dem Wachstum zu kämpfen, sondern auch mit seinem Image. Die Gewerkschaft Verdi hat am vergangenen Freitag, dem Tag der Menschenrechte, das „Schwarzbuch Lidl“ veröffentlicht. Verdi wirft dem Discounter vor, ein „brutales Klima der Angst“ und Unterdrückung zu schaffen. So würden die Mitarbeiter systematisch bespitzelt, mit Videoüberwachung und Taschenkontrollen.

Gehrig wies die Vorwürfe als „aus der Luft gegriffen“ zurück. „Es gibt definitiv kein System. Und eine Kampagne gegen Lidl ausgerechnet am Tag der Menschenrechte zu starten, ist wirklich absurd“, sagte er. Die Taschenkontrollen begründete Gehrig damit, dass dem Unternehmen jährlich Waren im Wert von 250 Millionen Euro „abhanden“ kommen, „schätzungsweise rund die Hälfte davon durch Mitarbeiter“. Und dagegen müsste das Unternehmen vorgehen. Dass dabei auch mit Videoüberwachungen gearbeitet wird, bestritt der Konzernchef nicht. Diese Form der Kontrolle werde aber nur in begründeten Einzelfällen und auf Basis der gesetzlichen Grundlage eingesetzt.

Zu dem Vorwurf der Gewerkschaft, der Konzern würde nur in sieben von 2500 Lidl-Filialen einen Betriebsrat dulden, sagte Gehrig: „Wir haben über 350 Betriebsratsgremien.“ Diese Zahl bezieht sich allerdings auf die gesamte Schwarz-Unternehmensgruppe – zu der gehören neben Lidl unter anderem auch noch 452 Kaufland-, Kaufmarkt- und Concord-Verbrauchermärkte. Gehrig erklärte, Verdis Problem sei, dass ein Großteil der Betriebsratsgremien gar nicht mit der Gewerkschaft zusammenarbeiten wolle.

Dass Lidl sich öffentlich äußert, ist neu. Bislang hatte das Unternehmen jede Auskunft über seine Geschäftszahlen und -politik verweigert. Auf die Frage, ob die Anschuldigungen von Verdi der Grund seien, warum Lidl nun sein Schweigen breche, antwortete Gehrig: „Das wäre doch zu viel der Ehre.“ Der Konzern habe festgestellt, dass er mit 151000 Mitarbeitern und 36 Milliarden Umsatz allein schon wegen seiner Größe im Focus der Öffentlichkeit stehe. Außerdem gebe es eine Diskrepanz zwischen den negativen Berichten auf der einen Seite und dem täglichen Vertrauensbeweis durch Hunderttausende Kunden. „Wir sehen unsere unternehmerische Leistung – und die unserer Mitarbeiter – nicht gewürdigt“, so Gehrig. Das will Lidl nun mit seiner Öffentlichkeitsoffensive offenbar ändern. Und so präsentiert sich das Unternehmen als die Nummer eins in Deutschland bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. „Wer hat schon, wie wir, in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland 20000 neue Stellen geschaffen?“, sagte Gehrig. Fürs kommende Jahr verspricht der Neckarsulmer Konzern dann auch 1600 zusätzliche Ausbildungsplätze. Und weil Lidl seinen Kunden in Zukunft mehr Service bieten will, werden noch mal 1500 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. „Wir sind kein reiner Discounter mehr“, erklärte Gehrig die Lidl-Strategie.

J. Dorfs, C. Schlautmann, HB

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