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Wirtschaft: Lieber eine Blechbüchse

Erst sollten Luxusmodelle die Autobranche retten – jetzt probieren es die Hersteller mit Billigfahrzeugen

Von Neal E. Boudette Toyota, Peugeot, Citröen und General Motors bringen in diesem Jahr vier kleine, einfache Autos auf den Markt, die alle zwischen 8000 und 9000 Euro kosten werden. Renault verkauft bereits ein ähnliches Modell, das in Rumänien hergestellt wird, und VW produziert derzeit ein geringfügig teureres Auto in Brasilien. Während die höherwertigen Fahrzeuge, die in den vergangenen Jahren von diesen Herstellern produziert wurden, allesamt nicht genügend Kunden gefunden haben, wird das Problem mit den kleineren Autos sein, ob mit ihnen große Gewinne eingefahren werden können, wenn sie erst einmal alle auf dem Markt sind und miteinander konkurrieren.

„Die Gewinnspannen sind in der Tat nicht sehr groß“, gibt der 42jährige Erhard Spanger von General Motors zu, der derzeit eine Reihe Chevrolets auf den europäischen Markt bringt, darunter den neu entwickelten Matiz. Das Auto verfügt über eine 0,8- oder 1-Liter-Maschine, hat vier kleine Räder mit jeweils nur 33 Zentimetern Durchmesser, ist 3,50 Meter lang und hat Platz für vier Passagiere und ein bis zwei Koffer.

Die Tatsache, dass auch Giganten der Automobilindustrie wie VW am untersten Ende des Marktes einsteigen, zeigt, wie verzweifelt die europäischen Hersteller nach fünf Jahren mit stagnierenden Verkaufszahlen in Westeuropa nach Wachstumsnischen suchen.

Die Europa-Sparte von General Motors, die die neuen Chevrolets auf den Markt bringt, Hersteller aus Korea sowie einige frühere Daewoo-Händler setzen darauf, dass diese kleinen Autos Kunden mit geringem Einkommen, speziell in Zentral- und Osteuropa, anlocken, die sonst Gebrauchtwagen kaufen würden. „Für unter 10000 Euro können diese Menschen jetzt ein schönes, solides Fahrzeug kaufen“, schwärmt GM-Manager Spanger während einer Testfahrt mit dem Matiz durch die namensgleiche Ortschaft nördlich von Rom.

Doch nicht alle Autohersteller denken, dass sich die Mühe lohnt. Jim Padilla, Präsident von Ford, sagt, sein Konzern sei nicht bereit, in diesen Markt einzusteigen. „Ich bin sehr skeptisch. Die Gewinnspannen in unserer Branche sind schon bei Autos für 20000 US-Dollar (umgerechnet 15230 Euro) sehr gering. Die Gewinnspannen bei 10000 Dollar-Autos sind bestenfalls marginal“, sagt er.

Bislang war der Sektor für Autos unter 10000 Dollar koreanischen und anderen kleinen Herstellern wie Fiat vorbehalten, die damit kein Geld verdienten. General Motors erwarb die Reste von Daewoo, nachdem der koreanische Konzern in Insolvenz gegangen war.

Vor fünf Jahren begannen einige europäische Hersteller, die bislang im Massensegment tätig waren, höherwertigere Fahrzeuge zu entwickeln. Sie hofften, einen Teil des lukrativen Geschäfts mit Luxuswagen von BMW und Mercedes-Benz abzuzweigen. Doch VWs Versuch mit dem 70000 Euro teuren Phaeton scheiterte bislang ebenso wie Renault mit dem Avantime, einem Großraumwagen. Auch der Signum von Opel, eine geräumige Mischung aus Kombi und Limousine, hatte nur einen verhaltenen Start. Oft waren hohe Rabatte nötig, um die Modelle in den Markt zu drücken. VW versucht nun, einen drastischen Gewinnrückgang aufzuhalten und hat seine Pläne aufgegeben, neben dem Phaeton eine zweite Luxuslimousine auf den Markt zu bringen. Renault stoppte die Produktion des Avantime nach nur wenigen Jahren. Opel wird 2005 möglicherweise das sechste Jahr in Folge Verluste schreiben.

Toyota, Peugeot und die anderen denken nun, sie könnten Gewinne am unteren Ende des Marktes machen, weil sie die Kleinwagen in Niedriglohnländern produzieren. Der japanische und der französische Autohersteller haben ein gemeinsames Werk in Tschechien gebaut, um die Investitionskosten zu senken. „In diesem Marktsegment muss man die Kosten gering halten, sonst kann man nicht konkurrieren“, sagt Frederic Saint-Geours, Präsident von Peugeot.

Doch trotz günstiger Produktionsbedingungen gibt es in dieser Sparte noch genug Herausforderungen. So ist der Wettbewerb bereits heute extrem hart. Zudem können die Hersteller nicht auf treue Kunden zählen, weil die meisten von ihnen zwar zunächst ein kleines Auto kaufen, später dann aber zu größeren Fahrzeugen übergehen. Und wegen der Notwendigkeit, die Produktionskosten im Hinblick auf die ohnehin nicht großen Gewinnspannen so gering wie möglich zu halten, haben die Hersteller wenig Möglichkeiten, ihre Autos durch Zusatzausstattung von den übrigen Kleinwagen auf dem Markt zu unterscheiden.

Texte übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (USA), Svenja Weidenfeld (Autos), Matthias Petermann (Arbeitslose), Tina Specht (Iran) und Christian Frobenius (China).

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