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Wirtschaft: Lieber ins Netz statt ins Reisebüro Viele Unternehmer

haben Trends verpasst

Yvonne Garlich wechselt alle paar Stunden ihren Arbeitsplatz. Nicht etwa weil die Berlinerin sprunghaft, sondern weil sie flexibel ist. Garlich ist mobile Reiseberaterin. Das heißt, sie besucht Leute mit Fernweh in ihrer Wohnung oder an ihrem Arbeitsplatz und bringt ihren Laptop bestückt mit Reiseangeboten mit. Damit entgeht Garlich einem Schicksal, das viele ihrer Kollegen schon erlitten haben – dem Aus des Reisebüros.

Allein in den vergangenen sieben Jahren ist die Zahl der Reisebüros in Deutschland von rund 14 000 auf gut 11 000 geschrumpft. Am stärksten zu schaffen gemacht hat diesem Wirtschaftszweig das Aufkommen des Internets. Aber auch der starke Wettbewerb untereinander setzt die Unternehmen zunehmend unter Druck. Manche halten die unzeitgemäße Aufstellung vieler Büros als Hauptursache für ihr Scheitern. Auch Garlich meint das. „Die starren Öffnungszeiten, an die sich viele Inhaber halten, passen nicht mehr zu unserem heutigen Lebenswandel.“

Tourismusforscher Edgar Kreilkamp von der Universität Lüneburg warnt die Branche davor, den Wandel zu verpassen. „Die Reisebüroinhaber müssen umdenken“, sagt er. Die meisten Anbieter hätten sich in der Vergangenheit zu sehr mit Pauschalangeboten auf die Masse fokussiert, dabei wünschten sich immer mehr Menschen individuellere Angebote. „Diejenigen, die sich eine Nische suchen, haben vielleicht eine Chance.“ Und dennoch: Der Markt habe insgesamt schlechte Zukunftsaussichten, meint Kreilkamp. „In den kommenden zehn Jahren könnte sich die Zahl der Reisebüros auf etwa 6000 weiter reduzieren.“ Denn die Umsätze im Reisemarkt würden zunehmend von Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften und Portalbetreibern gemacht. Zugleich sei die Rendite der Büros knapp bemessen, dagegen die Kosten, besonders fürs Personal, sehr hoch. „Und da lässt sich nicht viel einsparen“, erklärt der Experte.

Die Branche selbst dagegen sieht die schlimmsten Zeiten hinter sich. „Der extreme Rückgang ist gestoppt“, sagt Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reise-Verbands. Auch wenn immer mehr Menschen aufs Internet setzten, seien Reisebüros unersetzlich. „Die Beratungsleistung in den Reisebüros kann kein Internetportal ersetzen“, sagt Schäfer. Tourismusforscher Kreilkamp meint, dass die Beratung vielleicht der „alles entscheidende Punkt“ für das Überleben mancher Büros sein könnte. Wer besonders gut berate, könne durchkommen. „Die Lage ist ernst“, sagt er, „aber nicht hoffnungslos“. ysh

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