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Wirtschaft: „Lieber Zuschüsse als Kredite“

Herr Rogoff, wie sehen Sie die Chancen für den Schuldenerlass auf der Tagung von IWF und Weltbank nächste Woche? Sehr gut.

Herr Rogoff, wie sehen Sie die Chancen für den Schuldenerlass auf der Tagung von IWF und Weltbank nächste Woche?

Sehr gut. Es scheint einen starken politischen Konsens dafür zu geben – ob es nun eine gute Idee ist oder nicht.

Denken Sie, es ist eine gute Idee?

Keiner hat jemals geglaubt, dass die Summen jemals zurückerstattet werden. Sie zu erlassen macht also Sinn. Dennoch bin ich dafür, dass man künftig keine Kredite mehr vergibt, sondern Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen.

Warum?

Die Kreditgeber dachten früher: Wenn wir den armen Ländern Geld leihen, werden Sie es investieren, dann wachsen, und dann können sie es ohne Mühe zurückzahlen. Das war falsch konstruiert, weil diese Länder mehrere Jahrzehnte brauchen, die Schulden häufen sich. Also wären Zuschüsse besser als Kredite.

Wird das nächste Woche Thema?

Ich hoffe es, denn auch die Bush-Regierung macht Druck, dass ein höherer Anteil der Gelder zu Zuschüssen wird.

Ist der Schuldenerlass nur ein Symbol?

Irgendwie ist er eine Scharade, denn es erwartet ja niemand, dass das Geld erstattet wird. Zudem ist es nicht gerecht, denn manche Länder haben sich große Mühe gegeben, ihren Schuldenberg zu reduzieren, und andere nicht. Aber so kommt das Thema Armut zumindest auf den Tisch.

Werden die erlassenen Schulden dann von der Entwicklungshilfe abgezogen?

Das ist so. Andererseits wird auch immer eine Menge der Hilfe dazu genutzt, die Schulden zurückzuzahlen. Mit der rechten Hand geben die reichen Länder Geld und mit der linken nehmen sie es wieder zurück. Was wirklich zählt, ist also das, was unter dem Strich ankommt. Ich glaube nicht, dass es hier zu einem scharfen Rückgang kommen wird.

Müssen die Summen steigen?

Ja. Aber ich stimme nicht mit denjenigen überein, die denken, dass Entwicklungshilfe das Armutsproblem lösen wird. Indien und China geht es besser, weil es dort marktwirtschaftliche Reformen gibt. Das und gute Regierungen, die nicht korrupt sind, können helfen, die Armut zu verringern. Am Ende müssen die Entwicklungsländer ihre internen Probleme lösen, damit finanzielle Hilfe etwas bringt.

Spielen Weltbank und Währungsfonds überhaupt noch eine wichtige Rolle?

Die Weltbank ist gut dafür geeignet, den Entwicklungsländern zu helfen. Allerdings sollte sie die Verantwortung dafür klar übernehmen. Oft geben sich Weltbank und Währungsfonds gegenseitig Schuld, wenn etwas schief läuft. Der Währungsfonds sollte sich ausschließlich auf die Gewährung der weltweiten Finanzstabilität beschränken.

Was muss sich noch ändern?

Die Wahlstruktur. Asien macht ein Drittel der Weltwirtschaft aus, aber hat nur die Hälfte der Stimmen davon. Die Europäer sollten ihnen welche abgeben. Und die Europäer sollten endlich mit einer Stimme sprechen. Es muss EU-Repräsentanten geben. Dann könnte die EU auch den USA Paroli geben.

Kenneth Rogoff ist

Wirtschaftsprofessor an der Universität in Harvard und ehemaliger Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Das Gespräch führte Flora Wisdorff.

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