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Wirtschaft: Limousinen in der Klemme

Die überlangen Stretch-Varianten haben Ausmaße erreicht, die sie immer öfter lahm legen

Von Jennifer Saranow Rachel Chens Freundinnen hatten sich für Rachels JunggesellinnenAbschied etwas Besonderes ausgedacht. Sie buchten für die 27-Jährige einen extravaganten Abend in Los Angeles. Der Plan: In eine Stretch-Limousine hüpfen, zum Sushi-Dinner fahren und anschließend zu Martini und Maniküre in einen Klub. Der Ärger begann, als die Limousine vor Rachels Apartment im kalifornischen Glendale vorfuhr. Die Limousine, ein Lincoln Town Car für zwölf Fahrgäste, war so lang, dass sie am Hang vor den Garagen des Apartmentblocks mittig aufsetzte. Die Hinterreifen berührten nicht einmal mehr den Boden. „Der Wagen sah aus wie eine große schwarze Wippe“, sagt Rachels Schwester Miranda Watson.

Was Rachel den Abend verdarb, ist zu einem typischen Problem des Limousinengeschäfts geworden: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Länge der Stretch-Limousinen fast verdoppelt. Die Fahrzeuge können eine Länge von zwölf Metern erreichen. Daher kommen die Giganten in alle möglichen Bredouillen.

Bei dem Versuch, um enge Kurven zu fahren, setzen sie auf den Bordstein auf. Im Parkhaus des Waldorf-Astoria in New York stoßen sie bei der Einfahrt auf andere Autos und Pfeiler, sagt die Parkhaus-Managerin Anna T. Figueroa. Und sie setzten auf den Hügeln überall zwischen Pittsburgh und San Francisco auf.

Rachel und ihre Freundinnen mussten zwei Stunden warten, bis ein Abschleppwagen ihre Limousine wieder befreit hatte. Sie verpassten nicht nur Sushi, Martini und Maniküre. Rachels Bräutigam beschädigte bei dem vergeblichen Versuch, die Limousine selbst zu befreien, auch noch seinen eigenen Wagen. „Wir saßen in der Limousine und haben Champagner getrunken“, erzählt Miranda. „Die Nacht war ruiniert.“

Die Limousinen-Hersteller strapazieren zudem auch die Geduld der US-Regierung. Die zuständige Behörde, die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), bemüht sich, die schwarzen Schafe unter den Herstellern ausfindig zu machen, die sich nicht an die Sicherheitsbestimmungen halten. Ford und General Motors etwa haben klare Grenzen bestimmt, wie weit eine Limousine sicher ausgedehnt werden kann.

Die überlangen Limousinen werden von kleinen, unabhängigen Karosseriebauern hergestellt. Diese kaufen handelsübliche Autos, schneiden sie in der Mitte durch, verlängern sie und bauen sie wieder zusammen. Besonders beliebt sind hierbei der Cadillac Escalade, der Chrysler 300 Sedan, der Hummer H2 und das Lincoln Town Car. „Wir haben den Markt genau beobachtet“, sagt Harry Thompson, der bei der NHTSA für die Unfallvermeidung zuständig ist. „Die verflixten Dinger werden immer länger.“

Da viele der umgebauten Wagen eigentlich unter die Bestimmungen für Busse fallen, erwägt die NHTSA mit der Federal Motor Carrier Safety Administration zusammenzuarbeiten. Der obliegt die Busaufsicht. Unter anderem soll kontrolliert werden, ob die für Busse erforderlichen Notausgänge im Dach oder den Fenstern vorhanden sind. Auch die örtlichen Behörden reagieren. In Connecticut haben vergangenes Jahr verdeckte Mitarbeiter bei verdächtigen Anbietern Limousinen für angebliche Hochzeiten bestellt. Im Frühjahr ermittelten die Beamten gezielt im Umfeld von Highschool-Abschlussbällen, was zu 65 Verhaftungen führte.

Manche Städte haben größere Probleme als andere. Ken Strauch fährt einen neuneinhalb Meter langen Ford Excursion. Im vergangenen Sommer hat er in den überfüllten, engen Straßen von Little Italy in New York mit einer nervösen Familie im Wagen mindestens fünfzehn Mal hin und her manövrieren müssen, bis er es schaffte, um eine Kurve zu fahren. Die großen Limousinen bereiten auch Hochzeitsplanern Sorgen. Heather Snively von Weddings Unique in Florida überprüft inzwischen vorsorglich die Größe der Restaurantauffahrten, nachdem eines ihrer Paare im strömenden Regen 35 Meter vor dem Eingang abgesetzt werden musste, weil die Limousine nicht durch das Tor passte.

Auch die 29-jährige May Nunan musste mit hochgezogenem Kleid und Stöckelschuhen durch Chinatown in San Francisco staksen, um zu ihrem Hochzeitsempfang zu kommen. Aus Angst, stecken zu bleiben, hatte sich der Fahrer geweigert, sie am Restaurant abzusetzen. May erschien verschwitzt und mit verschmiertem Make-up zu ihrer Feier. „Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder in eine große Limousine steigen werde“, sagt sie.

Übersetzt und gekürzt von Tina Specht (Nagoya), Svenja Weidenfeld (Stretch-Limousinen), Matthias Petermann (WTO) und Christian Frobenius (AOL).

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