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Wirtschaft: Lion Bioscience: Spezialist für intelligentes Datenmanagement - "SAP der Biotechnologie"

Auf der Homepage ist schon alles vorbereitet: Emissionsdatum, Preisspanne, Konsortialbanken und was man sonst noch so braucht für einen Gang aufs Parkett. Nur die Eintragungen fehlen noch.

Auf der Homepage ist schon alles vorbereitet: Emissionsdatum, Preisspanne, Konsortialbanken und was man sonst noch so braucht für einen Gang aufs Parkett. Nur die Eintragungen fehlen noch. "Wir wollen noch in diesem Jahr an die Börse gehen", bestätigt Andrea Kreißelmeier, die bei Lion Bioscience für Marketing und Kommunikation zuständig ist, "wahrscheinlich in der zweiten Jahreshälfte". Mit dem Kapital will das erfolgreiche Heidelberger Biotech-Unternehmen die Grundlage für weiteres Wachstum sichern: Lion hat den Wettkampf mit der bislang dominierenden US-Konkurrenz aufgenommen.

Lion - das steht für "Laboratories for the Investigation of Nucleotide Sequences" - bietet Softwarelösungen für Biotechnologie- und Pharmaunternehmen an. Friedrich von Bohlen und Halbach, Spross der Krupp-Dynastie, hatte das Unternehmen vor drei Jahren zusammen mit sechs weiteren Wissenschaftlern gegründet - mit dem bescheidenen Ziel, die "SAP der Biotechnologie" zu werden. Mit der Softwareplattform SRS ("Sequence Retrival System") haben die Heidelberger ihren Kunden eine einheitliche Bioinformatik-Lösung entwickelt, mit der Gencodes schnell entschlüsselt und die Flut an Forschungsdaten sortiert, eingeordnet und interpretiert werden kann. "Die Pharmaunternehmen können so schnell und effizient herausfinden, wo die Gene stecken, die bestimmte Krankheiten codieren und damit auch zielgerichteter neue Medikamente entwickeln", sagt Kreißelmeier.

Die Lion-Software Bioscout setzt genetische Rohdaten in Beziehung zueinander. "Eine Art intelligentes Datenmanagement", wie Kreißelmeier sagt. Einen Schritt weiter geht das I-Biology-Konzept der Heidelberger. Es ermöglicht Forschergruppen, auch über Ländergrenzen hinweg Daten rasch auszutauschen - durch die parallele Analyse und Auswertung sehr unterschiedlicher Datenbanken, die dadurch effizienter genutzt werden können. Im Herbst 1998 hatte Lion die Software einschließlich Entwicklungsteam aus England eingekauft. Damit hat das Unternehmen, das 232 Mitarbeiter zählt, Zugang zu allen Forschungsdatenbanken.

Den Wert dieses Know-How hat auch Bayer erkannt, das vor rund einem Jahr ein 100 Millionen Mark teures Kooperationsabkommen mit Lion abgeschlossen hat. Dafür wird das Biotech-Unternehmen für den Pharmapartner in Cambridge/Massachusetts ein Zentrum für Bioinformatik, das Lion Bioscience Research Inc, aufbauen und für Bayer nach krankheitsrelevanten Genen forschen. Nach fünf Jahren hat der Konzern die Option, das Zentrum zu kaufen.

Neben der Auftragsforschung für Dritte entwickelt Lion mittlerweile auch eigene Produkte. "Mit der Sequenzierung ist kein Geld mehr zu verdienen", begründet Kreißelmeier. "Das können andere Unternehmen mit großen Screening-Apparaturen besser." Lion sucht nach so genannten nuklearen Rezeptoren, das sind neue Wirkstoffe und Moleküle für die Arzneimittelentwicklung - will daraus aber nicht selbst Medikamente entwickeln, sondern die Erkenntnisse an Pharmaunternehmen weiterverkaufen. "Wir sind noch in einer sehr frühen Phase", sagt die Marketingfrau.

Der schrumpfende Anteil der Sequenzierungsprojekte spiegelt sich auch im Umsatz wider. Von den 9,8 Millionen Euro (19,2 Millionen Mark), die das Unternehmen im Geschäftsjahr 1999/2000 (31. März) umsetzte, stammt nur noch ein Drittel aus der Sequenzierung, der Rest aus der Bioinformatik. Im Vorjahr lag der Anteil der Sequenzierung noch bei 80 Prozent. Der Verlust vor Zinsen und Steuern betrug 13 Millionen Euro (1998/99: 4,3 Millionen Euro). Die schwarzen Zahlen will das Unternehmen spätestens 2003 erreichen.

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