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Wirtschaft: Lizenz zum Gelddrucken (Leitartikel)

Die Briten tun es, die Holländer lieben es, und die Deutschen sind auch schon ganz aufgeregt: Auktionen um Mobilfunk-Lizenzen werden zum großen Hit der europäischen Finanzminister. Es geht um sehr viel Geld: Fast 80 Milliarden Mark hat die Versteigerung in Großbritannien eingespielt.

Die Briten tun es, die Holländer lieben es, und die Deutschen sind auch schon ganz aufgeregt: Auktionen um Mobilfunk-Lizenzen werden zum großen Hit der europäischen Finanzminister. Es geht um sehr viel Geld: Fast 80 Milliarden Mark hat die Versteigerung in Großbritannien eingespielt. In Deutschland wird mit bis zu 120 Milliarden Mark gerechnet. Die Staaten Europas haben ein neues Spiel der wundersamen Geldvermehrung entdeckt. Kein Wunder, dass die Erlöse jetzt alle fiskalischen Sünden der Vergangenheit heilen sollen: Staatsverschuldung abbauen, Steuern senken und die öffentliche Infrastruktur verbessern. Es wird gut sein, wenn sich Finanzminister Hans Eichel im Wesentlichen auf eine Therapie konzentriert, indem er sich um eine Rückführung des Schuldendienstes bemüht. Ein schönes Ziel rückt damit in große Nähe: Bis zum Jahr 2006 könnte die Nettoneuverschuldung tatsächlich auf Null zurückgefahren werden.

Das ist verkehrte Haushaltswelt. Hatten wir uns nicht über Jahre daran gewöhnt, dass die Verschuldung der öffentlichen Hand fast so etwas wie ein immerwährendes Naturschicksal sei? Gewiss, mit Beharrlichkeit war es den Mitgliedsstaaten des Euroraums vor der Einführung der neuen Gemeinschaftswährung gelungen, Disziplin bei der Neuverschuldung zu üben. Doch jetzt kommt ein ganz und gar unerwarteter Geldsegen über die Staaten. Ein Hans im Glück ist Eichel deshalb aber noch lange nicht. Denn vom Himmel fällt die Bescherung erst recht nicht. Im Gegenteil. Europa erntet jetzt die Früchte der Privatisierung. Zumeist sozialdemokratisch beherrschte Regierungen profitieren von den Taten ihrer konservativen Vorgänger, die sie damals bekämpft haben.

Auch bei den Lizenzen für die sogenannte dritte Generation der Mobilkommunikation, um die es bei UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) geht, handelt es sich um die Privatisierung der Nutzung eines ehemals öffentlichen Monopols. Netze bleiben Netze, egal ob es sich um Drähte im Boden oder Frequenzen in der Luft handelt. Beide unterlagen bis in die 80er Jahre dem staatlichen Alleinnutzungsrecht. Dass der Staat sich dieses Rechts begeben hat, ist Ausfluss weiser Einsicht: Der Staat soll nur das machen, was er besser kann als Private. Telefonieren bieten dem Wettbewerb ausgesetzte Unternehmen aber besser und billiger an. Wer es nicht glaubt, soll seine April-Telefonrechnung mit einer beliebigen, mindestens fünf Jahre zurückliegenden Rechung vergleichen.

Der Bund tut auch gut daran, dass er sich nicht anheischig macht zu wissen, was der angemessene Lizenz-Preis ist. Das Schöne an Auktionen ist, dass der meistbietende Käufer den Preis bestimmt - so lange Mindestgebote nicht unterschritten werden. Was tatsächlich so wertvoll ist an jenen in zwei mal fünf Megaherz geteilten mobilen Rechten, weiß heute noch niemand. Irrational ist das Verfahren dewegen freilich noch lange nicht. Gebote der Auktionen sind so etwas ähnliches wie Kurse an den Börsen: Es sind Gewinnerwartungen in der Zukunft. Auktionspreise zeigen, welches Potenzial sich die mitbietenden Unternehmen von der späteren Verwertung dieser Rechte versprechen. Das Versprechen nährt sich von der Hoffnung auf die breite Nutzung der technologischen Neuheit: Wer will, kann bald gleichzeitig Fernsehen, E-mails schreiben oder im Internet surfen - und das alles im Schwimmbad vom Handy aus. Es mag sein, dass nur wenig Menschen das wollen. Dann haben die Telekom-Unternehmen zu viel gezahlt. Dem Finanzminister ist das egal - allemal.

Rainer Hank

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