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Wirtschaft: Lokführer kündigen neue Streiks an

Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn sind nach elfstündigen Verhandlungen gescheitert

Berlin (vis/brö). Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sind am Freitagabend nach elfstündigen Verhandlungen in Berlin gescheitert. Die Gewerkschaft sieht sich nun nicht mehr in der Friedenspflicht und droht mit Streiks. Am Montag findet in Kassel ein Treffen von 400 GDLFunktionären statt. Hier wollen die Gewerkschafter über das weitere Vorgehen beraten. „Es kann jetzt jederzeit zum Streik kommen“, sagte eine Sprecherin der GDL dem Tagesspiegel. In einer ersten Stellungnahme sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn, er bedaure das Scheitern der Verhandlungen sehr. „Das Verhalten der GDL ist für uns nicht mehr nachvollziehbar.“

Hintergrund des Tarifkonflikts und Grund für das Scheitern der Verhandlungen ist die Forderung der GDL nach der Tarifführerschaft. „Mit einer Tarifführerschaft für Lokomotivführer hätte die GDL gute Chancen gehabt, die Interessen ihrer Mitglieder auch in einem einheitlichen Tarifgefüge nachhaltig zu vertreten. Deshalb hätte die GDL in diesem Fall auch von ihrer Forderung nach einem separaten Spartentarifvertrag für das Fahrpersonal abgesehen“, sagte der GDL-Bundesvorsitzende Manfred Schell nach dem Scheitern der Verhandlungen am Freitagabend in Berlin. Die Deutsche Bahn lehnt dies jedoch ab und verweist auf das Prinzip der Einheitsgewerkschaft, nach dem es in Deutschland pro Unternehmen nur eine Arbeitnehmer-Organisation geben darf. Bahn-Personalvorstand Norbert Bensel sagte vor Beginn der Verhandlungen, für alle Beschäftigten solle es nur einen Tarifvertrag geben.

Eine solche Vereinbarung hatten die anderen Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA (Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter) vor drei Wochen bereits mit dem Staatskonzern ausgehandelt. Die GDL – sie vertritt 75 Prozent der Lokführer – will dieser Vereinbarung aber nicht zustimmen, weil sie die Tarifführerschaft für die Lokführer beansprucht. Das wollten ihr die Konkurrenz- Gewerkschaften aber nicht zugestehen. Daher lehnt die GDL auch einen Schlichterspruch ab, den der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf und der Arbeitsrechtler Wolfgang Hromadka gefällt hatten und der vorsah, dass die GDL den Tarifvertrag übernimmt. Nun streitet die GDL für ein eigenes Tarifwerk – mit besseren Bezügen und Arbeitszeit-Regeln.

Der von Transnet und GDBA Mitte März ausgehandelte Tarifvertrag sieht für die insgesamt 160000 Beschäftigten der Deutschen Bahn Einkommenserhöhungen für das laufende Jahr um durchschnittlich 1,35 Prozent und für das Jahr 2004 um weitere 3,2 Prozent vor. Mitte März hatte die Gewerkschaft GDL mit einer einstündigen Arbeitsniederlegung den Bahnverkehr in ganz Deutschland zeitweise lahm gelegt. Jetzt stehen offenbar neue Streiks bevor: „Mit dieser Blockadepolitik steuert die Bahn auf einen weiteren Streik zu“, sagte der GDL-Bundesvorsitzende Schell am Freitagabend. Die GDL sei nicht mehr in der Friedenspflicht.

Bahn-Personalvorstand Bensel hat bereits vor dem Scheitern der Verhandlungen angekündigt, dass eine solche Maßnahme „illegal“ wäre. Würden sich Arbeitsrichter dieser Auffassung anschließen, könnte die Bahn streikende Lokführer im Extremfall entlassen. „Wie haben einen Tarifabschluss, der von unseren Mitarbeitern und der Öffentlichkeit als fair anerkannt wird“, sagte Bensel am Freitagabend. „Ein eventueller Streik auf dem Rücken der Kunden wäre deshalb völlig unverständlich.“

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