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Ausgezählt. 81 Prozent der GDL-Mitglieder beteiligten sich an der Urabstimmung, fast alle votierten mit „Ja“.

© dapd

Lokführergewerkschaft: "Wir sind verleumdet worden"

Mehr als 90 Prozent der Lokführer stimmen für neue Streiks im Schienenverkehr. GDL-Chef Weselsky schlägt scharfe Töne an.

Berlin - Die Botschaft kam in gelben Kisten. Tausende Zettel mussten die Mitarbeiter der Lokführergewerkschaft GDL am Montag in Frankfurt am Main sortieren, sichten und ablegen. Darauf stand, wie es mit dem Tarifkonflikt bei der Eisenbahn weitergeht. Das Ergebnis war eindeutig und wenig überraschend: „Noch in dieser Woche werden wir den nächsten Arbeitskampf einleiten“, sagte Gewerkschaftschef Claus Weselsky mit entschlossener Miene. Die Urabstimmung der Lokführer wertete er als „ein deutliches Signal an alle Arbeitgeber in Eisenbahnverkehrsunternehmen“.

Mehr als 90 Prozent der GDL-Mitglieder hatten sich für weitere Streiks bei der Eisenbahn ausgesprochen. An diesem Dienstag soll es aber noch keine erneute Aktion geben. Man werde die Fahrgäste wie bei den bisherigen drei Warnstreiks am Vorabend über die Planungen informieren, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft.

Damit eskaliert der Tarifstreit bei der Eisenbahn weiter. Die GDL verlangt für alle 26 000 Lokführer einheitliche Arbeits- und Lohnbedingungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr auf dem Niveau des Marktführers Deutsche Bahn. Die bisherigen Angebote in den seit Juli 2010 laufenden Verhandlungen wies die GDL als unzureichend zurück. Die Privatbahnen hatten sich vergangene Woche von den Verhandlungen zurückgezogen und der GDL vorgeworfen, über ihre Forderungen die Unwahrheit zu verbreiten. Die Deutsche Bahn hatte das Verhalten der Organisation als „widersinnig“ kritisiert. Für den Nahverkehr gibt es bereits einen Branchentarifvertrag – die GDL hält das darin vereinbarte Lohnniveau aber nicht für akzeptabel und will sich der Regelung nicht anschließen. Auch, weil sie Vereinbarungen ablehnt, die die konkurrierende Gewerkschaft EVG abgeschlossen hat.

„Die Lokführer sind von den Arbeitgebern angegriffen, unter Druck gesetzt und verleumdet worden“, sagte Weselsky. „Die Situation ist ernst.“ Das Angebot von Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), der sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel als Schlichter erboten hatte, lehnte Weselsky ab. Struck habe sich bereits im November 2007 gegen einen eigenständigen Flächentarifvertrag der Lokführer gewandt und komme daher nicht infrage, urteilte der Vorsitzende.

Die GDL will bei den nächsten Aktionen den Güterverkehr stärker einbeziehen. Auch der Personenverkehr in der Hauptstadtregion werde betroffen sein, sagte Frank Nachtigall, GDL-Bezirksvorsitzender für Berlin, Sachsen und Brandenburg. Er schloss im Gespräch mit dem Tagesspiegel nicht aus, dass anders als zuletzt auch die S-Bahn Berlin einbezogen wird. „Darüber haben wir aber noch nicht abschließend beraten.“ Bei den kommenden Aktionen will die GDL nicht mehr nur für wenige Stunden die Arbeit niederlegen. „Unter Umständen wird die Hauptstadtregion mehrere Tage lang vom Streik betroffen sein“, sagte Nachtigall. Dies würde aus Sicht der Gewerkschaft „die Sache beschleunigen“. Beim Tarifstreit im Jahr 2007 habe die GDL dreieinhalb Tage am Stück gestreikt, „danach sind die Fronten eingebrochen“. Die Lokführer seien sehr entschlossen, die hohe Zustimmung in der Urabstimmung spreche für sich. „Ich gehe davon aus, dass man die Arbeitgeber auf diese Weise in die Knie zwingen kann. Wir werden es schnell eskalieren lassen, um rasch zu einer Entscheidung zu kommen.“

Die Deutsche Bahn rief die Gewerkschaft erneut zu Gesprächen auf. „Der gordische Knoten kann nur auf dem Verhandlungsweg zerschlagen werden“, sagte Ulrich Weber, der Personalvorstand des Staatskonzerns.

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