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Wirtschaft: London wirbt um das Geld der Muslime

Großbritannien plant islamischen Finanzhandel.

Von Carla Neuhaus

London - „In London werden 300 Sprachen gesprochen, und schon jetzt lebt hier eine Million Muslime“, sagt Boris Johnson. Der Londoner Bürgermeister verpasst an diesem Mittwochmorgen keine Chance, für seine Stadt zu werben. Er ist zu Gast beim World Islamic Economic Forum – einem Wirtschaftskongress, für den rund 2700 Banker und Politiker aus 120 Ländern nach London gekommen sind. Bis Donnerstag diskutieren sie dort über Zukunftskonzepte für die Wirtschaft in der islamischen Welt. Johnson nutzt, wie am Tag zuvor schon Premierminister David Cameron, die große Bühne, um Werbung für den britischen Finanzstandort zu machen. Denn die beiden haben ein Ziel: Sie wollen London zu einem Zentrum für islamische Finanzgeschäfte machen.

Anders als die Dienstleistungen, die westliche Banken anbieten, richten sich islamische Finanzgeschäfte nach den Regeln der Scharia. Dieser Verhaltenskodex verbietet Geldhäusern zum Beispiel, Zinsen zu nehmen oder zu spekulieren. Will eine Bank einen scharia-konformen Immobilienkredit vergeben, darf sie dafür keine Zinsen verlangen. Stattdessen kauft die Bank selbst die Immobilie und verkauft sie dann an ihren Kunden weiter, der den Kaufpreis in Raten zurückzahlt – inklusive einer Gebühr für die Bank.

Der Markt für scharia-konforme Finanzdienstleistungen wächst Experten zufolge derzeit doppelt so schnell wie der Markt für herkömmliche Bankprodukte. Schon jetzt sind weltweit 1,6 Billionen Dollar in scharia-konformen Finanzpapieren angelegt. Bis 2020 soll diese Summe auf 6,5 Billionen Dollar steigen. Und daran will Großbritannien mitverdienen.

In Zukunft sollen sich in London verstärkt Banken ansiedeln, die scharia-konforme Finanzprodukte anbieten. „London soll sich neben Dubai als eine der großen Hauptstädte des islamischen Finanzhandels in der Welt behaupten können", sagt Cameron. Deshalb soll es schon bald an der Londoner Börse einen eigenen islamischen Aktienindex geben, der nur Werte von Firmen beinhaltet, die ihr Handeln am Scharia-Recht ausrichten. Und: Großbritannien will als erstes Land außerhalb der muslimischen Welt eine eigene islamische Anleihe, Sukuk genannt, herausbringen.

Londons Bürgermeister Johnson hofft derweil, in Zukunft noch stärker als bisher Geldgeber aus der islamischen Welt anzuziehen. Schon jetzt werden einige Großprojekte in London mit Kapital aus islamischen Ländern finanziert. So baut der Hafenbetreiber DP World aus Dubai derzeit in Essex, im Südosten von London, einen neuen Tiefsee-Containerhafen, der Europas größter Logistikpark werden soll. Carla Neuhaus

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