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© Kai-Uwe Heinrich

Londoner Finanzbranche: Sex and the City

Barbara Stcherbatcheff saß fünf Jahre mittendrin, auf dem Handelsparkett einer Investmentbank, als eine von ganz wenigen Frauen. Nun packt die Ex-Bankerin aus und spricht über die rauen Sitten in der Londoner Finanzbranche und fordert: Lasst mehr Frauen an die Börse.

„Die Jungs haben die City in den Ruin geführt. Es wird Zeit, dass die Mädchen das beheben“, sagt Barbara Stcherbatcheff. Sie ist eine sehr junge, sehr blonde Frau, mit Absätzen, die mindestens zwanzig Zentimeter hoch sind. Ihr Blick ist kühl. Die 28-Jährige weiß, wovon sie redet.

Die City, das ist das Londoner Finanzviertel. Stcherbatcheff saß fünf Jahre mittendrin, auf dem Handelsparkett einer Investmentbank, als eine von ganz wenigen Frauen. Am Tag zockte sie mit den Bankern am Computer um die Wette, abends zog sie mit ihnen durch die Strip-Bars. Rückblickend sagt sie: „Es war ein einziger Schwanzvergleich“. Nach fünf Jahren stieg sie aus und schrieb, erst eine Zeitungskolumne unter dem Pseudonym Suzana S. Dann machte sie ein Buch daraus. „Die City, das Girl, die Geschichte“ erscheint in dieser Woche in Deutschland. Stcherbatcheff sagt, dass etwa 85 Prozent von dem, was sie beschreibt, tatsächlich so passiert ist. Hier und da habe sie auch ein bisschen übertrieben. Aber wenn nur die Hälfte von der Geschichte wahr sein sollte, sie böte eine erschreckend einleuchtende Erklärung für den Größenwahnsinn in der Finanzbranche.

Es ist eine Männerwelt, in der Suzana S. sich hochkämpft, eine Uni-Absolventin aus der amerikanischen Provinz, die unbedingt dorthin will, wo das große Geld gemacht wird. „Trading ist nichts für Mädchen“, erklärt ihr ein älterer Banker gleich am Anfang, „wir fechten hier jeden Tag Kriege aus“. Sie schafft es trotzdem auf einen Daytrading Floor. Hier arbeiten die Händler, die binnen Sekunden für Millionen Wertpapiere, Derivate oder Währungen kaufen und genauso schnell wieder verkaufen, wenn der Kurs gerade günstig steht. Für Suzanas männliche Kollegen ist das Geld ein großes Spiel. Jeder Trade ist ein Adrenalinkick und jeder Trader bald süchtig danach. Auf dem Parkett wird gewitzelt, gebrüllt und geflucht, am liebsten mit derben sexuellen Anspielungen.

Es ist ein rasender Konkurrenzkampf. Man definiert sich über die Summen, die man täglich bewegt und über den Bonus, der am Jahresende ausbezahlt wird. Die Risikomanager werden belächelt. In der City herrscht ein Kastensystem, ganz oben stehen die, die das Geld verzocken, unten jene, die den Verlust verwalten. Die Händler zahlen den Frauen abends den teuersten Champagner, Sex dient dem Stressabbau, schreibt Stcherbatcheff.

Es gibt Studien, die belegen, dass Testosteron die Risikobereitschaft steigert. Doch Stcherbatcheffs Buch beschreibt mehr als den Kampf der Geschlechter. Sie zeichnet das Bild einer Industrie, die den Menschen das Menschlichsein austreibt, damit sie noch mehr Geld verdienen.

Das beginnt mit der Auswahl der Banker. Bei einem Vorstellungsgespräch wird Suzana S. gefragt: „Sie treffen auf einer Brücke einen Mann. Er will sich umbringen, weil er sein ganzes Geld verloren hat. Was sagen Sie ihm?“ Sie antwortet: „Spring“. Und bekommt den Job. Als sie drin ist, lernt sie schnell: Emotionen, Skrupel oder Zweifel gehören nicht auf das Parkett. „Gewinn oder Verlust, die Zahl, die am Ende des Tages unter dem Strich steht, das ist alles, was dich als Person ausmacht“, sagt Stcherbatcheff. Warum sie dort arbeiten wollte? Sie sagt: „Ich war vom Geld getrieben“. Auch sie war süchtig nach dem Kick, hat zu Hause die Kurse auf dem Computer verfolgt, während ihre Ehe in die Brüche ging.

Trotzdem behauptet sie, dass mehr Frauen in der Finanzbranche die Krise nicht ganz so katastrophal hätten aussehen lassen. Sie habe auch Verluste gemacht, aber sie seien weniger extrem gewesen, genau wie die Gewinne. Frauen seien eher bereit, Fehler einzugestehen und ihre Strategie zu ändern. „Männer wollen recht haben, die Wahrheit interessiert sie nicht.“ Das gelte vor allem für die Manager, die auch, als die Krise schon da war, immer nur hören wollten, dass alles gut lief. Irgendwann lief es alles gar nicht mehr gut. Statt der Gier herrschte die Angst. Männer, die vorher vor Selbstbewusstsein und Arroganz strotzten, rissen plötzlich vor Verzweiflung die Kabel aus ihren Computern. „Da habe sie sich gedacht: Geld ist doch nicht alles“, sagt Stcherbatcheff.

Sie verlegte sich aufs Schreiben. Außerdem arbeitet sie beim Fernsehen, als Kommentatorin der Finanzbranche. Sie sagt Dinge, die gerade sehr gefragt sind, dass man die Regeln ändern müsste und dass die Boni abgeschafft gehörten. Ob sie es denn richtig fände, wenn die Trader, bevor sie handeln, auch mal an die denken würden, denen sie damit wehtun? Nein, sagt Stcherbatcheff kühl, „das wäre unproduktiv. Und das ist nicht Teil des Jobs“. Miriam Schröder

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