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Wirtschaft: LTU: Die rotweißen Jets von der Düsseldorfer Ferienfluggesellschaft können wieder durchstarten

Die Situation ist alles andere als rosig. Die Mitarbeiter der Düsseldorfer Ferienfluggesellschaft LTU bangen um ihren Job.

Die Situation ist alles andere als rosig. Die Mitarbeiter der Düsseldorfer Ferienfluggesellschaft LTU bangen um ihren Job. Zwar ist seit der Vorlage des Sanierungskonzeptes die Gefahr betriebsbedingter Kündigungen bis 2003 vom Tisch. Doch keiner weiß, was die Zukunft bringt. Seit Jahren fliegt der einstige Pionier für Flugpauschalreisen Verluste ein. Allein im vergangenen Jahr verbuchte LTU 220 Millionen Mark. Dabei stagniert der Umsatz schon lange mit vier Milliarden Mark. Seit LTU unter der Flagge der Schweizer abhebt, hat sich die Lage noch verschlimmert. Bisweilen sind die rotweißen Jets häufiger am Boden als in der Luft.

Das hatte sich Philippe Bruggisser, der Chef des Swissair-Konzerns Sairgroup, vor anderthalb Jahren noch anders vorgestellt. Damals sicherten sich die Schweizer gegen die Mitbewerber British Airways und der britischen Airtours 49,9 Prozent an der LTU. Die Westdeutsche Landesbank (WestLB) von Friedel Neuber, die ihre Tourismusaktivitäten in den vergangenen Jahren agressiv ausbaute und sich mit Preussag, TUI - und nun auch der britischen Thomson-Gruppe - im Tourismusgeschäft auf vorderstem Platz behaupten will, war der Aufforderung der Kartellbehörden nachgekommen und reduzierte ihre Beteiligung an LTU auf 10,2 Prozent. Den Rest von 39,9 Prozent hält die Gründerfamilie Conle, deren Interesse aber rein finanzieller Natur sind..

Heute ist Bruggisser schlauer. Vorsorglich hat er die LTU-Beteiligung 1999 auf Null abgeschrieben. Offiziell räumen die Schweizer Sanierungskosten in Höhe von 140 Millionen Mark ein. Inoffiziell dürfte der Betrag um Einiges höher ausfallen. Vertragsgemäß muss Sairgroup für die erforderlichen Umstrukturierungskosten der Düsseldorfer aufkommen. Zur Finanzierung kann Brugisser auf Rückstellungen zurückgreifen. Reicht das nicht, stehen liquide Mittel aus nicht betriebsnotwendigen Beteiligungen zur Verfügung. Für den Swissair-Chef, der in seinem Konzern an mehreren Fronten kämpft, ist klar, dass die gröbsten Managementfehler nicht unter seiner Federführung, sondern unter der Regie von WestLB-Chef Friedel Neuber gemacht wurden. Zeitweise glich die LTU-Chefetage einem Durchgangslager. Auch Holger Carstensen, DAG-Verhandlungsführer bei den Sanierungsgesprächen im Hause LTU, sieht die Ursachen der Krise in einer falschen Flotten- und Preispolitik früherer Tage. So wurden zu viele unterschiedliche Flugzeugtypen gekauft, was die Kosten für Wartung und Ersatzteile krass nach oben getrieben hat. Katastrophale Probleme gab es außerdem mit dem alten LTU-Buchungssystem Provit, das das Unternehmen beinahe Kopf und Kragen kostete.

Doch auch Brugisser und sein Düsseldorfer Statthalter, LTU-Chef Peter Fankhauser, müssen sich Vorwürfe gefallen lassen. Abgesehen davon, dass sie die schwierige Situation von LTU unterschätzten. Die Belegschaft vermisst den notwendigen Elan zum Neuanfang. Zwar wurde der dringende Umbau der Flotte jetzt in Angriff genommen, doch noch immer fehlt der Aufbau einer eigenen Reisebürokette. Im Übrigen gehört LTU kein einziges Flugzeug mehr. Um ihre 1,6 Milliarden Mark teure Beteiligung möglichst schonend zu finanzieren, haben die Schweizer sich 600 Millionen Mark von den Banken gepumpt. Eine Milliarde machte Sairgroup locker, indem sie die eigenen 27 Jets der Düsseldorfer Flotte an Leasinggesellschaften verkauft und zurückgeleast hat. Nicht nur zum Vorteil von LTU. Denn der Airline entstehen, internen Berechnungen zufolge, Steuernachteile in nennenswerter Höhe. Rund 63 Millionen Mark will LTU-Geschäftsführer Fankhauser im laufenden Geschäftsjahr (per Ende Oktober) einsparen. Bereits jetzt hat er die Kosten um 40 Millionen Mark gedrückt. Ein vorläufiger Verzicht auf Gehaltserhöhungen und effizientere interne Strukturen sollen die Situation der Airline verbessern. Bis 2004 müssen insgesamt 365 Millionen Mark gespart werden. Die Betriebskosten sollen zunächst um 20 Prozent, die Personalkosten um zehn Prozent gekappt werden.

Die Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung ist gleichsam Voraussetzung dafür, dass Swissair einen Interessent findet, der bei LTU einsteigt und - wie es Belegschaft und Gewerkschaft wünschen - auf Dauer am Leben hält. Der Kölner Rewe-Konzern, der sich mit ITS und den Reisebüros DER, Atlas und Derpart auf die vorderen Ränge im europäischen Tourismusgeschäft vorgearbeitet hat, denkt seit längerem an eine noch engere Anbindung an eine Fluggesellschaft - nach dem Muster der branchentypischen vertikalen Integration. Durch das dichte Vertriebsnetz könnte die Auslastung von LTU verbessert werden. Noch im Mai hatte Rewe-Touristik-Chef Dietmar Kastner erklärt, man sei nicht an der Airline interessiert. Es gehe nur um die Veranstalter.

Die Absage an die LTU-Fluggesellschaft schien endgültig. Doch jetzt hat sich das Blatt offenbar gewendet. Dem Vernehmen nach sind sich Sairgroup und Rewe handelseinig. Demnach übernimmt der Kölner Einzelhandelskonzern 40 Prozent an der LTU-Fluggesellschaft und die sechs Veranstalter der LTU-Touristik (LTT) komplett: Jahn, Meiers Weltreisen, Tjaereborg, Smile & Fly, THR-Tours und Marlboro Reisen. Die steuerlichen Vorteile, die Rewe durch die LTU-Verlustvorträge geltend machen kann, überwiegen offensichtlich die Risiken einer Beteiligung. Eine Lösung, die Branchenkenner als "Marktberuhigung" werten, und mit der auch Rewe-und ITS-Partner Air Berlin gut zurecht käme. "Das würden wir sehr begrüßen", sagt Peter Hauptvogel, Pressesprecher der Berliner Airline. Denn LTU würde nur an den großen Flughäfen bevorzugt zum Einsatz kommen. Air Berlin, erfolgreicher Einzelkämpfer auf den kleinen deutschen Randflughäfen, bliebe dort ungestört und könnte außerdem von zusätzlichen Aufträgen der LTU-Veranstalter profitieren. In trockenen Tüchern ist der Deal aber noch nicht. Die Aufsichtsratsgremien müssen noch zustimmen - und die Wettbewerbshüter den Fall begutachten.

Martina Ohm

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